Geestkliff

Lebendige Erdgeschichte

An einigen Stellen der Wattenmeerküste gibt es keine Deiche. Hier ragen eiszeitliche Sandwälle mehrere Meter hoch bis ans Meer heran. Sie vermitteln einen Eindruck davon, wie die Landschaft an der Küste vor über 1000 Jahren ausgesehen haben könnte.

An der niedersächsischen Küste haben sich diese Geestkliffs bei Dangast am Jadebusen und südlich von Cuxhaven beim Wernerwald erhalten. In Schleswig-Holstein gibt es z. B. bei Schobüll an der Husumer Bucht Bereiche, wo die „Höhenzüge“ der Geest direkt bis ans Meer reichen und für einen natürlichen Lückenschluss zwischen den Deichen sorgen.
Die Geestlandschaft ist nichts anderes als ein riesiges Gebilde aus Sand, Geröll und Steinen. Das Material wurde von den Gletschern der vorletzten Eiszeit herantransportiert. Einen Teil schoben die Gletscher vor sich her und schufen die so genannten Endmöränen. Unterhalb der Gletscher lagerte sich im norddeutschen Raum nach ihrem Abschmelzen das im Eis mitgeführte Material als Grundmoräne ab. Dabei entstanden sandige, flache Erhebungen und wellige, leicht erhöhte Gebiete, die als Geest bezeichnet werden. Der Begriff „Geest“ kommt vom niederdeutschen Wort „güst“ für unfruchtbar, da im Gegensatz zu den „fetten“ Kleiböden der Marsch die sandigen Böden der Geest nur eine karge Vegetation zulassen.

Vor dem Deichbau war die Geest für das Meer eine Barriere und bildete so die natürliche Küstenlinie. Daher sind viele Küstenstädte wie Norden, Esens, Wittmund oder Jever am Rande des Oldenburgisch-Ostfriesischen Geestrückens, der den Kern Ostfrieslands bildet, entstanden. Ein zweiter Geestrücken, die Hohe Lieth (niederdeutsch für hoher Abhang), verläuft von Bremerhaven bis hoch ans Meer bei Cuxhaven und trennt das Wurster vom Hadelner Land. Seeseits der Geest konnten sich später, in Abhängigkeit vom Stand des Meeresspiegels, die großen fruchtbaren Marschgebiete entwickeln.
Was also vor 1000 Jahren das natürliche Bild an der niedersächsischen Küste darstellte, der Übergang von der Geest über die Marsch hinaus ins Watt ohne Deich, ist heute eine absolute Besonderheit. In Niedersachsen gibt es diesen natürlichen Übergang nur noch bei Cuxhaven und in Dangast am Jadebusen.

Zwischen Cuxhaven-Duhnen und Berensch reicht die Geest über einige Kilometer direkt bis an das Wattenmeer heran und schützt den Landstrich vor Sturmfluten. Im Laufe der Jahrhunderte „knabberte“ aber auch hier die Meeresbrandung an der Küste, eine Abbruchkante entstand. Dieses Geestkliff ist heute noch mit mehreren Metern Höhe gut im Gelände zu erkennen. In diesem Teil des Nationalparks kann man den ganzen Formenschatz des natürlichen Überganges zwischen Meer und Geest mit den dazwischen liegenden Wattgebieten und Salzwiesen entdecken. Dazu zählen die Krähenbeerenheiden bei Duhnen, das Geestkliff vor dem Wernerwald, die eigentümlichen „Eichenkrattwälder“ als Resultat einer historischen Waldnutzung und der Windschur, kleine Moorseen und auch Niedermoorbereiche.