Junge Menschen neben lebenserfahrenen Halligleuten – die bunt zusammengewürfelten „Langenesser Basstölpel“ beginnen das nächste Lied, die anwesenden Halligleute und die Gäste vom Festland stimmen lautstark, wenn auch nicht immer den Ton treffend, zur Akkordeonmusik mit ein. Gemeinsam gefeiert wird auf der Hallig Langeness das 20. Jubiläum der Biosphäre Halligen. Denn auch das gehört zur Idee des Biosphärenreservates dazu – lokales Kulturgut pflegen und die Gemeinschaft stärken.
Vor 20 Jahren erfolgte die Anerkennung der fünf großen, dauerhaft bewohnten Halligen Hooge, Langeneß, Oland, Gröde und Nordstrandischmoor als Entwicklungszone im UNESCO-Biosphärenreservat „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Halligen“. Seit 1990 bestand das Biosphärenreservat aus dem Gebiet des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, der bis heute die Kern- und Pflegezone bildet. Die Vorgaben des Biosphären-Programms der UNESCO sehen jedoch auch eine Entwicklungszone vor, in der die dort lebenden Menschen modellhaft im Einklang mit der Natur nachhaltig leben und wirtschaften. Die Halliggemeinden haben sich in einem mehrjährigen Prozess dazu entschlossen, diese Entwicklungszone zu bilden. Mit der Anerkennung durch die UNESCO 2004 entstand auch die Geschäftsstelle der Biosphäre Halligen als Form der Selbstorganisation, die eng mit der Nationalparkverwaltung als der zuständigen Biosphärenreservatsverwaltung zusammenarbeitet.
Biosphärenreservate – Vorbilder für die ganze Welt
Die Menschen auf den Halligen und in den übrigen 17 UNESCO-Biosphärenreservaten in Deutschland leben dabei weder in einem Freilichtmuseum noch unter einer Käseglocke, sondern gestalten aktiv ihre eigene Zukunft mit.
Angesichts der globalen Krisen wie dem Klimawandel oder dem Schwund der Artenvielfalt wird es immer wichtiger, das Leben nachhaltig zu gestalten. Jeder und jede Einzelne ist dabei gefragt; jede noch so kleine Tat ist wichtig. Das Biosphärenprogramm, ursprünglich aus den 1970er Jahren, war damals der heutigen Entwicklung weit voraus, und die Halligen sind seit 20 Jahren Vorreiter in der Region.
In Biosphärenreservaten ist eine aktive Mitgestaltung der Zukunft möglich und explizit erwünscht, in allen 748 Gebieten auf der ganzen Welt stecken die hier lebenden Menschen viel Kraft in lokale Lösungen für globale Krisen. Auf den Halligen und seit 2023 auch nebenan auf der Insel Pellworm geschieht genau das: Menschen setzen sich zusammen, diskutieren Herausforderungen und mögliche Lösungen und suchen sich Unterstützung für die Umsetzung.
„Die Hallig-Gemeinden sind in den letzten 20 Jahren, seit es die Biosphäre Halligen gibt, zusammengewachsen und begegnen heute den Herausforderungen gemeinsam“, sagt Claudia Bönnighausen, die neue Leiterin der Abteilung Naturschutz im Umweltministerium in Kiel bei ihrem Antrittsbesuch auf den Halligen. „Für ihr Engagement für diese einzigartige Natur und ihre Gemeinden möchte ich allen Bürgerinnen und Bürgern der Halligen und ganz besonders den früheren und heutigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern danken.“
Das Biosphärenreservat bringt dem Wattenmeer und seinen Bewohnenden viele Vorteile: Natur und Landschaft mit den einzigartigen Halligen werden geschützt und Einheimische wie Gäste können die Natur und Kultur der Region bei zahlreichen Erlebnisangeboten kennenlernen und genießen. Biosphärenreservate sind attraktive touristische Ziele und fördern die regionale Wertschöpfung. Davon profitieren nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen vor Ort, z.B. Anbieter von regionalen Produkten, Beherbergungsbetrieben oder der Gastronomie. Das Leben auf den Halligen ist nicht nur eine Frage des Naturschutzes und der ökonomischen Lebensverhältnisse, sondern auch eine ganz besondere kulturelle Errungenschaft. In Biosphärenreservaten wird Natur, Wirtschaft und Soziales gleichermaßen betrachtet, denn nur so bleibt die Lebensgrundlage für kommenden Generationen erhalten.
Die Vorstandsvorsitzende der Halliggemeinschaft, Ruth Hartwig-Kruse, bringt es auf den Punkt: „Wir engagieren uns als Gemeinschaft, damit wir aktuelle und zukünftige Herausforderungen meistern können. Wir arbeiten an Lösungen, um verantwortungsvoll eine Zukunft für uns und die nächsten Generationen in der Biosphäre Halligen zu schaffen.“
Auf Hallig Langeness neigen sich die Jubiläums-Feierlichkeiten dem Ende zu, die „Basstölpel“ haben ihre Akkordeons längst sicher verstaut. Die Gäste werden vom Schiff auf die umliegenden Halligen und das Festland verteilt. Die Feier ist zu Ende, das Engagement der Menschen aber geht weiter, denn sie wissen, dass sie ihre Zukunft auch weiterhin selbst gestalten können.