Nationalpark-Hof „Eide Icken“

Rinder machen Naturschutz

Sicherung der Biologischen Vielfalt durch nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung von Salzwiesen an der Wurster Küste (Landkreis Cuxhaven)

Zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gehören etwa 3000 Hektar intensiv genutzte Salzwiesen oder Sommerpolderflächen. Nach naturschutzrechtlichen Vorgaben (Niedersächsischen Naturschutzstrategie) soll dort wieder die natürliche Entwicklung gefördert werden. Vor diesem Hintergrund hat sich die Wurster Küste im Landkreis Cuxhaven in den letzten 10 Jahren zu einem wesentlichen Aktionsraum der Nationalparkverwaltung entwickelt. Zentrum der dortigen Projekte soll der landwirtschaftliche Betrieb „Hof Eide Icken“ werden, der 2013 mit finanzieller Unterstützung des Niedersächsischen Umweltministeriums von der Nationalparkverwaltung erworben wurde und nun saniert und ausgebaut werden soll.

Die Förderung des Projektes „Sicherung der Biologischen Vielfalt durch nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung von Salzwiesen an der Wurster Küste (Landkreis Cuxhaven)“ erfolgt aus dem Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Niedersachsen, Programmgebiet „Übergangsregion“, nach der Förderrichtlinie „Landschaftswerte“.

Das Schwarzbunte Niederungsrind als Naturschutz-Helfer

Auf dem Hof werden Tiere der Rasse Schwarzbuntes Niederungsrind gezüchtet, die bereits vor mehreren Jahrhunderten und bis in die 1960er Jahre im Küsten-Grünland graste. Seitdem wurde diese alte Zweinutzungsrasse (Milch und Fleisch) zunehmend von der Hochleistungs-Milchviehrasse Holstein-Friesian (HF) verdrängt und gehört heute (mit einem Bestand von deutschlandweit etwa 2.500 Tieren) zu den gefährdeten alten Haustierrassen.

Für die Landschaftspflege auf Extremstrandorten wie den Salzwiesen ist der Einsatz des Niederungsrindes unabdingbar, denn es bringt viele Eigenschaften mit, die seinen hochgezüchteten Verwandten fehlen. Die Rinder müssen mit ihren Klauen die nassen Bodenverhältnisse ertragen können, ohne Schaden zu nehmen. Hinsichtlich ihrer Ernährungsansprüche müssen sie mit dem wesentlich niedrigeren Futterwert der Salzwiesenpflanzen im Vergleich zu einer herkömmlichen Weide leben und gedeihen können. Insgesamt ist die Rasse optimal an die Standort- und Klimaverhältnisse angepasst und zeichnet sich durch eine hohe Bewegungsruhe aus. Zudem ist das Niederungsrind langlebig, fruchtbar und wenig krankheitsanfällig.

Da es zu wenige Tiere dieser Rasse gibt, ist die Förderung der Nachzucht dieser Rinderrasse zwingend erforderlich, um die Ziele der Naturschutzstrategie zu erreichen.

Neben der fachlichen Eignung der Rasse sind die Tiere mittlerweile bei Einheimischen und Gästen ein wichtiger Sympathieträger für die Naturschutzprojekte im Nationalpark geworden. Zunehmend wird die Rasse von den Kommunen der Region als Werbeträger für die Entwicklung eines Nationalpark-konformen Tourismus genutzt. Gleichzeitig ist eine steigende Nachfrage nach dem sehr hochwertigen Fleisch als Nationalpark- und Biosphärenreservatprodukt in der ortsansässigen Gastronomie entstanden. Hieraus folgt wiederum ein gesteigertes Interesse seitens landwirtschaftlicher Betriebe.

Das Salzwiesen-Projekt an der Wurster Küste leistet also wichtige Beiträge

  • zur Sicherung der Biologischen Vielfalt durch die Wiederherstellung naturnaher Ökosysteme im Nationalpark und z. T. im Binnenland
  • zur Herstellung und Vernetzung von Biotopverbundsystemen zwischen Vogelrastgebieten in Ostfriesland, auf den Inseln, über Butjadingen hinweg bis in die Vorländer der Elbe hinein
  • zur Wiederherstellung wertvoller Kulturlandschaftselemente auf der alten Hofanlage
  • zur regionalen Entwicklung (Vermarktungs-Netzwerke, nachhaltiger Tourismus)
  • zum Erhalt der gefährdeten Haustierrasse „Schwarzbuntes Niederungsrind“.

Die erforderlichen Maßnahmen und die dabei zu berücksichtigenden Bedingungen wurden erstmals im Jahr 2007 abgestimmt zwischen allen niedersächsischen Institutionen für die Belange des Küstenschutzes, des Naturschutzes, der Landwirtschaft, des Veterinärwesens und weiterer Fachgebiete. Dies erfolgte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zum Ausbau des Containerterminals CT 4 in Bremerhaven. Die dort planfestgestellten Bedingungen gelten bis heute und für die weitere Zukunft als „Grundsatzabstimmung“ zwischen allen beteiligten Institutionen inklusive der Gemeinden und allen örtlichen Einrichtungen.

Umsetzungs-Schritte

  • Ankauf der Flächen von privaten Eigentümern (im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen durch Dritte, Ersatzgelder und Fördermittel des Umweltministeriums)
  • Ausbau des Hauptdeiches nach den Vorgaben des Küstenschutzes
  • Naturnahe Gestaltung der Flächen durch Anlage von Prielen, Blänken und weitere naturnahe Strukturen
  • Öffnung der Sommerdeiche
  • Extensive landwirtschaftliche Pflege von Flächen, wenn eine höhere Strukturvielfalt in der Artenzusammensetzung erzielt werden kann. Dies erfolgt durch eine Beweidung mit Rindern, welche mit den Landwirtschaftskammern und weiteren Institutionen der Landwirtschaft und Tiergesundheit abgestimmt ist.

Abgestimmtes Beweidungskonzept

Die Intensität der Beweidung erfolgt nach den Vorgaben der Nationalparkverwaltung und orientiert sich an einer optimierten Vegetationsentwicklung sowie an der Entwicklung des Brut- und Rastvogelgeschehens. Zur Beweidung wurde, aufgrund seiner oben beschriebenen Eigenschaften, die Rasse „Schwarzbuntes Niederungsrind“ ausgewählt.

Ausbau des Nationalparkhofes „Eide Icken“ zur Bestandssicherung des Niederungsrindes als Voraussetzung für die naturnahe Entwicklung von Salzwiesen im Nationalpark

Der Hof konnte in 2013, im Zusammenhang mit Flächenankäufen, mit Ersatzgeldern des Umweltministeriums erworben werden. Um das abgestimmte naturschutzfachliche Ziel der Salzwiesenentwicklung gewährleisten zu können, plant die Nationalparkverwaltung den Ausbau des Hofes.

Nach über zehnjährigem Einsatz der Rasse zur Entwicklung von Salzwiesen ist der Bestand reinrassiger Tiere mit einem heutigen Bestand von ca. 180 Tieren im Nationalpark immer noch zu niedrig, um die angestrebten 3.000 Hektar beweiden zu können. Alleine für die Sommerpolder der Wurster Küste (ca. 800 Hektar) sind ca. 1.600 Tiere der Rasse erforderlich.

Auf dem Nationalpark-Hof „Eide Icken“ wird, bei etwa 80 zu melkenden Tieren, inklusive Nachzucht eine Herdengröße von etwa 180 bis 200 Tieren angestrebt. Dies ist für einen derartigen Betrieb die wirtschaftliche Mindestgröße.Gleichzeitig entsteht unter Wahrung der züchterischen Aspekte ein Genpool dieser Rasse für die weitere Entwicklung der Salzwiesen.

Die Nationalparkverwaltung wird in diesem Themenspektrum beraten durch den „Verein zum Erhalt des Schwarzbunten Niederungsrindes“, dem „Kompetenzzentrum Ökolandbau“ des Landes Niedersachsen in Visselhövede und dem Versuchsbetrieb der Uni Kassel, Fachbereich Ökologische Landwirtschaft. Vor Ort erfolgt eine fachliche Begleitung durch eine beauftragte Tierärztin.

Hinsichtlich der Erstellung und des Umbaus der landwirtschaftlichen Gebäude erfolgt die Beratung durch die Niedersächsische Landgesellschaft, Bremerhaven, und zusätzlich durch den ortsansässigen landwirtschaftlichen Beratungsring.

Am Ausbau der Nachzucht in ausreichender Zahl, zur Realisierung der Salzwiesenentwicklung, sind auch weitere landwirtschaftliche Betriebe beteiligt, unter Einhaltung der Zuchtziele und Nutzung von bereits verfügbaren gekörten Deckbullen.

Mit Blick auf die zweifache Nutzung der Rasse (Milch und Fleisch), welche bei der Zucht berücksichtigt werden muss, erfolgt der Einsatz der Fleischrinder (Ochsen, Färsen) über die landwirtschaftlichen Betriebe auf Flächen im Nationalpark und die arbeitsintensive Milchviehhaltung auf dem Nationalparkhof mit Flächen im Binnenland, selbstverständlich auch dort nach ökologischen Kriterien.

Förderung von Arten, Biotop- und Lebensraumtypen

Durch das Beweidungsprojekt werden großräumige, zusammenhängende Naturlandschaften wiederhergestellt. Davon  profitieren folgende Arten:

Rast- / Gastvögel / Durchzügler/ Nahrungsgast

  • Großer Brachvogel
  • Brandgans
  • Lachseeschwalbe
  • Grünschenkel
  • Sumpfohreule
  • Wanderfalke
  • Säbelschnäbler
  • Lachmöwe
  • Wiesenweihe
  • Rohrweihe
  • Kiebitz
  • Sturmmöwe
  • Schwarzstorch
  • Austernfischer
  • Sandregenpfeifer
  • Goldregenpfeifer
  • Löffler

Brutvögel

  • Feldlerche
  • Kiebitz
  • Rotschenkel
  • Wiesenpieper
  • Wiesenschafstelze
  • Brandgans
  • Teichrohrsänger
  • Schwarzkehlchen
  • Dorngrasmücke
  • Bluthänfling
  • Graugans
  • Wachtel
  • Austernfischer
  • Löffelente
  • Säbelschnäbler
  • Uferschnepfe

Vorkommen von Rote-Liste-Arten auf den Flächen des Beweidungsprojektes

Kategorie

Rote Liste Niedersachsen

Rote Liste Deutschland

1: vom Erlöschen bedroht

  • Sumpfohreule
  • Lachseeschwalbe
  • Schwarzstorch
  • Uferschnepfe
  • Sandregenpfeifer
  • Sumpfohreule
  • Lachseeschwalbe
  • Schwarzstorch

2: stark gefährdet

  • Rotschenkel
  • Uferschnepfe
  • Löffelente
  • Wiesenweihe

 

  • Kiebitz
  • Wiesenweihe

3: gefährdet

  • Feldlerche
  • Wiesenpieper
  • Kiebitz
  • Sandregenpfeifer
  • Rohrweihe
  • Feldlerche
  • Löffelente

Vorkommen von Anhang I-Arten

  • Säbelschnäbler
  • Sumpfohreule
  • Wanderfalke
  • Lachseeschwalbe
  • Wiesen- und Rohrweihe
  • Löffler

Vorkommen von wertbestimmenden Arten

Nach Artikel 4, Abs. 1 (EU-Vogelschutzrichtlinie, Art des Anhang 1)

  • Säbelschnäbler

Nach Artikel 4, Abs. 2 (EU-Vogelschutzrichtlinie, wertbestimmende Zugvogelarten)

  • Feldlerche
  • Löffelente
  • Kiebitz
  • Rotschenkel
  • Uferschnepfe
  • Wiesenschafstelze

Biotope der Küsten und Ästuare

Das Projekt fördert die Entwicklung von überwiegend intensiv genutztem Mesophilem Marschengrünland mit wenigen Kleingewässern zu extensiv genutztem Marschengrünland mit zunehmender Salzwiesenvegetation und Salzwiesenpioniervegetation sowie lagunenartigen Vorlandbereichen (Blänken) mit temporärem Salzwassereinfluss. Röhrichte der Brackmarsch, naturnahes salzhaltiges Kleingewässer des Küstenbereiches, Mesophiles Grünland, Atlantische Salzwiesen.