15.05.2017

UNESCO-Biosphären­reservat in Gambia

Ende März 2017 waren Vertreter der Nationalparkparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer im Rahmen der Wadden Sea Flyway-Initiative (WSFI) zum Austausch und zur Unterstützung erneut bei den Kollegen vom "Department for Wildlife and Parks in the Gambia" in Westafrika. Gemeinsam wurde an den Plänen zur Entwicklung eines UNESCO-Biosphären­reservats im Nordwesten des Landes unter Einbeziehung der Nationalparke Niumi und Jokadu gearbeitet.

Hintergrund

Auch wenn der Zugvogelschutz „vor der Haustür“ ein gutes Niveau erreicht zu haben scheint, ist seit langem deutlich geworden, dass Zugvögel auf ihrem gesamten Zugweg von den Arktisgebieten übers Wattenmeer bis nach Afrika Schutz benötigen. Damit weitet sich die Betrachtungsskala: Die Naturschutzstrategie des Landes Niedersachsen weist den Großschutzgebieten ausdrücklich auch die Aufgabe zu, internationale Partnerschaften mit anderen Großschutzgebietsverwaltungen zu pflegen. Denn für die Zugvögel ist unser Nationalparkgebiet letztlich eben nur einer von mehreren Trittsteinen auf ihrem wandernden Lebenswandel. Mit diesem Hintergrund wurde die Wadden Sea Flyway-Initiative (WSFI) im Jahr 2015 von der UNESCO vorgeschlagen. Die Fokusaufgaben der Initiative sind ein zugwegweites Monitoring, Strukturen sowie Kompetenzen zum Schutz der Zugvögel zu entwickeln und zu fördern.

Gambia

Das Land, gerade mal halb so groß wie Hessen, liegt in Westafrika am Südrand der Sahelzone. Rund zwei Millionen Einwohner leben in dem freundlichen afrikanischen Land, welches durch den namensgebenden großen Gambia-Fluss geprägt ist. Primärnatur ist durch eine lange, wechselhafte Kolonial- und Autokratengeschichte heute Mangelware, Großtiere gibt es nur noch sehr wenige. Die Vogelwelt ist sehr artenreich, mehr als 400 Arten sind regelmäßig (über das Jahr verteilt) zu sehen. Prägende Landschaftsräume sind Mangroven und im Westen die Küste, Primärwald der trockeneren Ausprägung und die Kulturlandschaft mit Bananen-, Cashew- und Mangoplantagen, Erdnuss- und Reisfeldern.

Das geplante UNESCO-Biosphärenreservat

Im Nordwesten des Landes, direkt an der Grenze zum Senegal gelegen, ist der Niumi-Nationalpark ein Küstenschutzgebiet mit einem hohen Anteil an Mangrovenwäldern. Die vorgelagerten Wattflächen gleichen in einigen Aspekten dem Wattenmeer, die Vogelfauna ist durchaus ähnlich. Um negative Einflüsse und Beeinträchtigungen von außen abzufedern, entstand die Idee, den Nationalpark gemeinsam mit weiteren Schutzgebieten in ein UNESCO-Biosphärenreservat zu integrieren. Das Reservat soll auf der Nordseite des Gambiaflusses in der North Bank Region entstehen. Es wird von den Städten Barra, Fass, Kerewan und Albreda begrenzt. Zusätzliches und bedeutendes Ziel ist es weiterhin, die Region mit der und für die Bevölkerung als naturgemäße Lebensgrundlage nachhaltig zu gestalten. Die Stadt Albreda mit ihren Stätten um die Flussinsel Kunta Kinteh, historischer Ort des Sklavenhandels, ist seit dem Jahr 2003 UNESCO-Weltkulturerbe und soll ebenfalls in das Biosphärenreservat eingebunden werden.

Besuch auf großem Parkett

Das Team aus dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, Peter Südbeck und Simon Potthast, und das Department for Wildlife and Parks in the Gambia warben gemeinsam für das UNESCO-Biosphärenreservat auf politischer Ebene. Beide Partner konnten dazu auf bestehende Kontakte aufbauen. Unser Arbeitsbesuch startete mit Informationen zum Sachstand des Reservates und der strategischen Planung für die Konsultationen. Wir bekundeten, als starker Partner dem Department in Fachfragen, Erfassungen, Kartenerstellung und Finanzierung beizustehen. In den darauffolgenden Tagen trafen wir mit dem Staatssekretär aus dem Umweltministerium, der UNESCO-Vertretung Gambia, dem Gouverneur der North Bank Region, Kommunalvertretern, den Nationalpark-Leitern und den Beiräten zusammen. Insgesamt ist die Biosphärenreservats-Idee auf einen sehr fruchtbaren Boden gefallen. Der Ansatz, Naturschutz mit Bemühungen zur nachhaltigeren Ausgestaltung des Lebens der Bevölkerung zu verbinden, Einkommensperspektiven auch aus den Schutzgebieten aufzuzeigen, fand breite Unterstützung. Gleiches gilt für den Weg einer partizipativen Erarbeitung dieser Konzeptionen. Es wurde aber auch auf die noch bevorstehenden schweren Aufgaben hingewiesen. Seitens der UNESCO-Vertretung Gambias mangelt es derzeit noch an einem nachhaltigen touristischen Konzept. Der Gouverneur sah aber gute Chancen für Gambia und seine Region. Er fasste es in die wunderbaren Worte „Ich werde euer Lied vom UNESCO-Biosphärenreservat weitersingen“.

Kommunen als wichtige Partner

Gambia ist ein armes und dicht besiedeltes Land, was Probleme für die Natur wie z. B. Abholzung, Vermüllung, Überfischung und Entwässerung mit sich bringt. Die Wirtschaft ist landwirtschaftlich dominiert, der überwiegende Exporterlös stammt aus dem Erdnussanbau. Immer noch wird mit Abholzung und Brandrodung gearbeitet, um weitere Flächen für Monokulturen wie Erdnussfelder oder Cashewplantagen anzulegen. Weiter werden Mangroven zu Brennholzgewinnung genutzt. Auf diese Einwegnutzung reagiert das Department for Wildlife and Parks in the Gambia mit Aufklärung und Projekten zu Alternativen. Die Kommunen haben die Probleme erkannt und unterstützen die Bestrebungen des Departments. Die Menschen in Gambia leben mehr als wir direkt von der Natur, und negative Auswirkungen auf die Ökosystemleistungen haben sich bemerkbar gemacht. Daher haben viele Kommunen sich auch schon als aktive Partner im Sinne gemeinsamer nachhaltiger Projekte in Verbindung mit Naturschutz engagiert und tun dies weiter. Es sind Mehrnutzungswälder angepflanzt, Mangroven zum Flutschutz und zur Austernernte gesetzt worden. Solche Ansätze schaffen eine günstige Ausgangssituation für ein UNESCO-Biosphärenreservat und können und sollten damit dauerhaft entwickelt werden.

Die weiteren Schritte

Nach einer intensiven Arbeitswoche gelangten wir zum Ausblick: möglichst noch in diesem Jahr das Gebiet bei der UNESCO in Paris als Biosphärenreservat zu nominieren. In enger Kooperation auch mit senegalesischen Kollegen soll das Antragsprozedere vorbereitet und umgesetzt werden; aktuelle Karten etwa werden von dort erstellt. Die bisherigen Daten zur Flora und Fauna im Gebiet sind zusammenzuführen sowie auf Aktualität zu prüfen. Daraus resultierend bedarf es eventuell noch weiterer Erfassungen. Komplett neu zu erarbeiten ist ein nachhaltiges Tourismus-Konzept. Insofern konnten wichtige konzeptionelle Schritte begleitet und klare Perspektiven aufgezeigt werden. Die breite Unterstützung, wenn nicht gar Begeisterung für dieses Projekt der Schutzgebietsausweisung war beeindruckend. Insofern hat auch das MAB(man and biosphere)-Programm der UNESCO hier sehr positiv gewirkt. Wir hoffen, dass durch diese Initiative die Zugvögel des Wattenmeeres, die einen Teil ihres Lebens in Westafrika verbringen, wie auch die Menschen im Norden Gambias spürbar und nachhaltig profitieren können.

Simon Potthast