Der Miesmuschelbestand, der im Auftrag der Nationalparkverwaltung regelmäßig im trockenfallenden Watt erfasst wird, ist in den letzten beiden Jahrzehnten außerordentlich stark zurückgegangen. 1989 gab es noch 61.000 t Miesmuschel-Biomasse, danach nahm der Muschelbestand immer weiter ab und lag 2010 nur noch bei gut 6000 t. Auch in den ständig wasserbedeckten Gebieten des Wattenmeeres sind kaum noch Muschelvorkommen zu finden, so dass die Muschelfischer Schwierigkeiten haben, genügend Besatzmuscheln für die Belegung ihrer Kulturen zu fischen. Sie nutzen daher auch andere Verfahren, nämlich die Saatmuschelgewinnung an künstlichen Anlagen und den Import von Besatzmuscheln aus Gebieten wie Irland und England.
In diesem Zusammenhang hatten die Muschelzuchtbetriebe sich Anfang des Jahres 2010 an Landwirtschafts- und Umweltministerin Rumpf mit der Bitte gewandt, das eigentlich noch bis Ende 2016 geltende Muschelfischereiprogramm und die darauf basierenden Verträge vorzeitig zu verlängern, um dringend anstehende Investitionen wirtschaftlich zu ermöglichen. Diese sind nach Auffassung der Muschelfischer notwendig, um Saatmuschelgewinnungsanlagen und spezialisierte Ernteschiffe zu beschaffen. Die Anlagen bestehen aus über 100 m langen, senkrecht an Schwimmkörpern hängenden Netzen. Hier sollen sich Miesmuschellarven ansiedeln und zu Besatzmuscheln entwickeln.
In intensiven Verhandlungen hatte sich das Land im Juli 2011 mit den Muschelfischern auf Eckpunkte einer vorzeitigen Vertrags- und Programmverlängerung verständigt. Danach erfolgte eine Beteiligung der Naturschutz- und Fischereiverbände sowie der beiden Nationalparkkuratorien in Nordfriesland und Dithmarschen. Die Hinweise der Kuratorien wurden ins Muschelprogramm eingearbeitet. Das Landwirtschafts- und Umweltministerium verlängerte am 30.12.2011 das Muschelprogramm bis Ende 2026.
Die wichtigsten Regelungen für die Miesmuschelkulturwirtschaft:
- Die Anzahl der Lizenzen und damit der Muschelkutter ist wie bisher auf acht begrenzt.
- Für Miesmuschelkulturen werden wie bisher 2.000 ha und für Saatmuschelgewinnungsanlagen zusätzlich 300 ha, insgesamt also 2.300 ha Fläche, im Nationalpark zur Verfügung gestellt.
- Der gesamte durch die Tide trockenfallende Bereich bleibt wie bisher für die Fischerei gesperrt, durch Bezug auf die sogenannte LAT-Linie in den Seekarten ist der als trockenfallend definierte Bereich etwas größer als bisher.
- Die Schutzzone 1 sowie alle hindurchführenden amtlich bezeichneten Fahrwasser werden für die Besatzmuschelgewinnung gesperrt. Im Ausnahmefall (Schutzzone 2 nachweislich ohne Muschelbesatz) dürfen zwei Gebiete in der Schutzzone 1 und die dortigen Fahrwasser für die Besatzmuschelfischerei genutzt werden, wobei in den Fahrwassern nur die Hälfte der Vorkommen abgefischt werden darf.
- Die Fahrten aller Muschelkutter werden wie bisher durch einen elektronischen Fahrtenschreiber (Blackbox-System) lückenlos überwacht.
- Anders als ursprünglich vorgesehen wurden in das Muschelprogramm aufgrund einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes vom Dezember 2011 keine detaillierten Regelungen zum Import von Besatzmuscheln aufgenommen. Derzeit ist der Import gerichtlich untersagt. Die Begründung des Urteils bleibt abzuwarten.
Für die Austernwirtschaft gelten im Wesentlichen die bisherigen Regeln weiter:
- Für den Austernzuchtbetrieb im Nationalpark werden bis zu 30 ha im trockenfallenden Bereich zur Verfügung gestellt.
- Das Sammeln von Wildaustern ist wie bisher nur mit der Hand im betretungsfreien Bereich der Schutzzone 2 auf maximal 1 % der Fläche zulässig. Für das Besatzausternsammeln wird eine Lizenz und für das Konsumausternsammeln werden sieben Lizenzen vergeben.
- Importe sind unter Auflagen möglich.
Die Trogmuschelfischerei wurde aufgrund des kältebedingten Bestandszusammenbruchs im Extremwinter 1995/96 und der danach ausbleibenden Erholung der Trogmuschelbestände eingestellt. Das neue Programm sieht vor, dass auch bei einer zukünftigen Neuentwicklung des Bestandes nach 2016 keine Erlaubnisse mehr ausgegeben werden.