Auf Hooge leitete Gertrud Sahler als Vorsitzende des Nationalkomitees vor sieben Jahren die Überprüfung unseres Biosphärenreservates, später übergab sie die UNESCO-Anerkennungsurkunde. Heute leitet sie die Abteilung Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung im Bundesumweltministerium und vertritt Deutschland bei internationalen Konferenzen, die über den Erhalt der biologischen Vielfalt mitentscheiden. Zuletzt in Hyderabad, Indien, wo dieses Bild bei einem Diskussionsforum entstand.
„Mich begeistert die landschaftliche Vielfalt unserer Nationalparke in Deutschland. An jedem Ort kann man Anderes, Neues oder Besonderes entdecken. Unsere Nationalen Naturlandschaften sind für mich das Herzstück unseres Schutzgebietssystems. Darüber hinaus haben wir ein Netz von Naturschutzgebieten und das europäische Natura-2000-Schutzgebietsnetz. All diese Gebiete überschneiden sich in großen Teilen. Ich sehe eine gemeinsame Aufgabe des Bundes und der Länder darin, diese Gebiete voranzubringen.
Die Koordination der Nationalen Naturlandschaften - also der Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturparke - erfolgt durch ihren Dachverband EUROPARC Deutschland e.V. sowie durch jeweils ein Referat im Bundesamt für Naturschutz und in der Abteilung Naturschutz des Bundesumweltministeriums. Vielleicht ist die Koordinierung noch etwas suboptimal, aber ich glaube nicht, dass wir eine große, koordinierende Bürokratie für die Nationalen Naturlandschaften brauchen. Viel wichtiger wäre es mir, wenn wir die Zahl der vor Ort arbeitenden Naturschützer erhöhen könnten, vor allem der Ranger. Ein Defizit, das bundesweite Evaluierungen immer wieder verdeutlichen.
Der Föderalismus, also die primäre Zuständigkeit der Bundesländer, ist für den Naturschutz in Deutschland kein Nachteil. Naturschutz findet auf der Fläche statt. Die Länder sind dort mit ihren Verwaltungen viel näher dran, als es eine zentrale Bundesbehörde sein könnte. Ich fand es allerdings sehr interessant, dass ein Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes vorschlug, der Bund solle die Nationalparke und Biosphärenreservate aus Erlösen des Emissionshandels selbst finanzieren und mit einer eigenen Behörde verwalten (Weidmann 2009, Verwaltungsrundschau, S. 253-259). Ich kann diesem amerikanischen Modell zwar Sympathien abgewinnen, wegen unserer Verfassung sind wir davon aber weit entfernt.
Der Bund unterstützt schon seit den 1970er Jahren in einem speziellen Programm Großvorhaben des Naturschutzes. Ich habe mich immer gefragt, warum darin zwar von Gebieten gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung gesprochen wird, die Nationalparke aber nicht gemeint sind. Was ist denn gesamtstaatlich repräsentativ, wenn nicht unsere Nationalparke? Es wäre der Mühe wert, nochmals mit dem Bundesrechnungshof und dem Bundesfinanzminister darüber zu reden, ob man nicht zumindest mit Teilen des Programms auch Nationalparke unterstützen könnte.
Ein aktuelles Projekt, das der Bund förderte, ist die gemeinsam mit EUROPARC Deutschland und den Nationalparkverwaltungen durchgeführte Evaluierung der Nationalparke. Wir haben dies Mitte Oktober auf der elften Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über die biologische Vielfalt im indischen Hyderabad präsentiert, wo es großes Interesse fand.
Ich bin zufrieden aus Hyderabad zurückgekehrt. Wir haben dort ein wichtiges Finanzierungsziel verabschiedet. Bis 2015 werden die internationalen Naturschutzausgaben gegenüber dem Mittel von 2006 bis 2010 verdoppelt. Bei der nächsten Vertragsstaatenkonferenz wird dieses Ziel überprüft, der verdoppelte Level soll aber mindestens bis 2020 gehalten werden. Damit ist ein erster Schritt zur Umsetzung der 20 im "Strategischen Plan" festgelegten Ziele getan worden. Dieser Plan wurde 2010 auf der Vorläuferkonferenz in Nagoya beschlossen. Er soll den Verlust an biologischer Vielfalt bis 2020 stoppen. Industrie- und Entwicklungsländer aus allen Kontinenten haben in Hyderabad darüber berichtet, dass sie inzwischen eigene nationale Strategien und Aktionspläne entwickelt haben. Das war außerordentlich ermutigend. Strategien und Pläne reichen aber nicht, man muss auch handeln. Deswegen war es wichtig, dass wir uns auch bei der Finanzierung geeinigt haben.
Deutschland gibt ab dem kommenden Jahr jährlich 500 Millionen Euro für den internationalen Naturschutz aus, mehr als jedes andere Land. Dabei spielt der Meeresschutz eine große Rolle. Wir haben in Hyderabad ein sehr großes deutsch-indisches Gemeinschaftsprojekt gestartet, das auch der Ausweisung von Meeres- und Küstenschutzgebieten in Indien dient. Und wir unterstützen – gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und der Kreditanstalt für Wiederaufbau – die Ausweisung von küstennahen Meeresschutzgebieten in anderen Ländern Asiens und in Südamerika. Diese vielfältigen bilateralen Aktivitäten haben mit dazu geführt, dass Deutschlands Bemühungen zum Schutz der biologischen Vielfalt und beim Klimaschutz international hoch anerkannt sind.“