Dr. Hermann Hötker (54) ist ein exzellenter Vogelkenner. Viele Jahre arbeitete der Ornithologe am Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Uni Kiel in Büsum und war langjähriges Mitglied in den Nationalparkkuratorien Nordfriesland und Dithmarschen. Seit 2001 leitet er das Michael-Otto-Institut des NABU in Bergenhusen. Um nicht nur am Schreibtisch zu sitzen, fährt er gern raus, beispielsweise um eine Salzwiese im Winter anzusehen. Dabei entdeckte er einige Strandpieper und begann, sie systematischer zu beobachten.
Dieser Pieper ist ein einsames ernstes Geschöpf, das sich weder um Seinesgleichen, noch um andere Vögel kümmert. Seine Nahrung suchend, geht er still schrittweise, selten nur in gesteigertem Tempo, am Strande umher. Das Benehmen dieses Vogels bleibt immer dasselbe, in all seinem Wesen spricht sich weder Wohlbehagen noch Trübsal aus: einsam, ernst und geschäftig, ohne besondere Scheu vor dem Menschen, geht er seinen Obliegenheiten nach.
"So beschrieb Heinrich Gätke vor über hundert Jahren treffend die Lebensweise des damals noch Felsenpieper genannten Vogels auf Helgoland. Der Strandpieper (Anthus petrosus) lebt nicht in Trupps, sondern einzeln, nur mitunter sieht man zwei oder drei beieinander. Im Wattenmeer leben sie durchweg außendeichs und fast ausschließlich in unbeweideten Salzwiesen. Die überhängende Vegetation ihrer natürlichen Priele oder alter Gräben bildet meist die Keilmelde. Im Herbst verliert sie ihre Blätter, die dann langsam verrotten. In ihnen lebt der Flohkrebs Orchestia gammarellus, die Hauptnahrung der Strandpieper. Unter der älteren Vegetation von Abbruchkanten oder auf dem trockenen Schlick an Prielrändern halten sich die Vögel daher am liebsten auf. Darum sieht man Strandpieper meist nicht. Man muss die Gräben einer unbeweideten Salzwiese schon systematisch abgehen, um einen auffliegenden Vogel zu beobachten. Spätestens dann wird klar, dass sich ihr Lebensraum durch die Extensivierung der Salzwiesen entscheidend verbessert hat.
Im Gegensatz zu den anderen typischen Singvögeln der winterlichen Salzwiesen – Ohrenlerchen, Schneeammern und Berghänflingen – leben Strandpieper nicht in Trupps, sondern einzeln. Sie sind ziemlich gleichmäßig verteilt, aber nicht streng territorial. Auch bei Hochwasser, Frost oder Schnee bleiben sie in den Salzwiesen. Ob die Vögel standorttreu sind wie Schwalben, ist unbekannt.
An den Küsten Skandinaviens sind Strandpieper sehr verbreitet. Etwas über 100.000 Paare brüten dort. Einige Tausend zudem in Großbritannien, Irland und in der Bretagne. Der Strandpieper ist der einzige nordeuropäische Endemit unter den Vögeln, denn außerhalb dieser Region kommt er nicht vor. Im Oktober ziehen die Vögel nach Süden und überwintern an den Küsten zwischen Dänemark und Spanien, viele im Wattenmeer. In Schleswig-Holstein werden es wohl über Tausend Vögel sein, flächendeckend gezählt wurden sie bisher allerdings nicht. Mit einem Weltbestand von wenigen hunderttausend Tieren ist der Strandpieper eine seltene Art, die nur wenig Ausbreitungspotenzial hat. Gefährdet scheint er aber nicht zu sein.
Wozu brauchen wir den Strandpieper? Hat der Mensch ökonomischen Nutzen von ihm? Ist er unverzichtbar im ökologischen Netz? Nein. Er ist wohl weder ökonomisch noch ökologisch bedeutsam. Er ist einer der Kleinen, Unscheinbaren – wir sollen uns einfach nur an ihm erfreuen."
Strandpieper wiegen etwa 25 g und sind 16 cm lang. Das düster olivfarbene Gefieder ist undeutlich gemustert. Der Schnabel ist relativ lang und dunkel. Vom Wiesenpieper unterscheidet er sich durch die dunklen Beine. Beim Auffliegen ruft er meist ein bis zwei Mal scharf „wiisst“. |
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Die Leser der Nationalpark Nachrichten haben die einzigartige Gelegenheit, mit Hermann Hötker am 23. November um 11 Uhr an einer exklusiven Strandpieper-Exkursion auf Eiderstedt teilzunehmen. Interessierte melden sich hier per Mail an, die ersten 20 erfahren dann den Treffpunkt. Im Anschluss an die Exkursion ist eine gemeinsame Stärkung und Aufarbeitung des Erlebten vorgesehen.