Erfolgreiche Biosphären-Partnerschaft mit Gambia

Bei der diesjährigen Tagung des ICC-MAB in Agadir, Marokko, wurde das Biosphärenreservat Niumi in der Republik Gambia in Westafrika in das Netzwerk der Biosphärenreservate der Welt aufgenommen. Damit wird der bilateralen Zusammenarbeit zwischen dem Department of Parks and Wildlife Management (DPWM), The Gambia, und der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer ein erfolgreiches Kapitel hinzugefügt.

Mit großem Dank und Stolz blicken wir auf diese Entscheidung der UNESCO von Anfang Juli 2024. Damit hat Gambia nun ein erstes Biosphärenreservat und wird Partner im Weltnetz dieser Modellregionen für nachhaltige Entwicklung.

Die Kooperation zwischen DPWM und der Nationalparkverwaltung begann im Jahre 2016 und wurde über einen Letter of Intent definiert und begründet. Im Zuge unserer Arbeiten im Rahmen der Wadden Sea Flyway Initiative waren wir damals auf der Suche nach einem geeigneten Partner im Winterquartier der Wattenmeer-Zugvögel im Westen Afrikas. Gambia ist ein kleines Land in Westafrika, es grenzt an den Atlantischen Ozean und ist geographisch wie politisch und wirtschaftlich ein „Fluss-Staat“ am Gambia-Fluss, der als schmales Band bis weit ins afrikanische Binnenland reicht.

Eine Nationalparkverwaltung hat in einem kleinen Land eher die Möglichkeit, durch direkte Aktivitäten und Kooperationen Wirkung zu entfalten, daher lag hier eine Zusammenarbeit nahe. Hilfreich ist zudem, dass Gambia als eines der wenigen Länder Westafrikas englischsprachig ist, wodurch die Alltagskooperation leichter vonstattengehen kann.

In den ersten Jahren der Zusammenarbeit wurde regelmäßig die Mittwinterzählung der Wasser- und Watvögel im Rahmen der WSFI gemeinsam durchgeführt, indem ein Zweierteam aus Niedersachsen vor Ort mit den Kolleginnen und Kollegen des DPWM die wichtigsten Feuchtgebiete des Landes in systematischer Art und Weise bearbeitet. Dies ist zur Tradition geworden. Die Ergebnisse fließen regelmäßig in die entsprechenden Übersichten zur WSFI ein (zuletzt Jallow et al. 2023). Zusätzlich zu den Monitoringaktivitäten wurden in kleinerem Umfang Schulungen und Workshops zur ökologischen Verbindung Westafrikas/Gambias mit dem Wattenmeer durchgeführt sowie Präsentationen zu Zähltechnik und Analyse vorgetragen und ausgetauscht. Im Jahre 2021 folgte der Austauschbesuch einer kleinen gambischen Delegation zu den Zugvogeltagen im Nationalpark. Unser damaliger Titelvogel, die Brandseeschwalbe, stand stellvertretend für die gemeinsame Bedeutung beider Länder zu ihrem Erhalt. Gerade in Zeiten der Vogelgrippe war und ist dies hochaktuell, auch zu diesem Thema haben wir eng zusammengearbeitet.

Internationales Vogelmonitoring in Gambia
Internationales Vogelmonitoring in Gambia

© Florian Packmor / NLPV

Bereits im Jahre 2017 entstand die Idee, aus dieser Kooperation heraus einen weiteren Schritt zu einem verbesserten Schutz der Zugvögel sowie der Biodiversität in Gambia zu gehen. Ein geeignetes Instrument ist dafür das Biosphärenreservat gemäß dem Programm Man and the biosphere der UNESCO. Als Modellregionen für nachhaltige Entwicklung eignen sich Biosphärenreservate in besonderer Weise, Ziele zu Naturschutz und Biodiversität mit solchen der nachhaltigen regionalen Entwicklung konzeptionell zu verknüpfen. Elemente sind dazu eine starke gelebte Partizipation sowie Forschung und Bildung. Gerade in Ländern mit einer starken Bevölkerungs- und Wirtschaftsdynamik kann dieser Ansatz Erfolg versprechend sein. Biosphärenreservate müssen zu ihrem Erfolg stark von der Bevölkerung vor Ort getragen und gelebt werden. Der Ansatz von „community-based protected areas“ ist dabei ein mit Leben auszufüllendes Beispiel. Die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer konnte und hat hierzu nur die Aufgabe, den Rahmen zu stärken, die Prozesse zu ermöglichen und Ideen auch aus unserer Arbeit einfließen zu lassen. So wurden Gespräche zur Ausweisung mit allen politischen und administrativen Ebenen Gambias geführt bzw. begleitet, und es wurden Ideen zur Umsetzung des Konzepts entwickelt. Dabei kam hinzu, dass bereits vor vielen Jahren ein Versuch unternommen wurde, ein grenzüberschreitendes Biosphärenreservat mit dem Nachbarland Senegal rund um das Saloum-Delta auszuweisen. Dieser Prozess konnte seinerzeit aber nicht zu Ende geführt werden. Immerhin besteht aber seit 2008 das grenzüberschreitende Feuchtgebiet internationaler Bedeutung nach der RAMSAR-Konvention „Niumi-Saloum“.

Namensgebender Ausgangspunkt für das neue Biosphärenreservat ist der Niumi-Nationalpark im äußersten Nordwesten von Gambia. Er wurde 1987 ausgewiesen. Er reicht vom offenen Meer des Atlantiks über ausgedehnte Mangrovenbestände, umfasst die Halbinsel Jinack sowie am Festland naturnahe (Sekundär-)Wälder. Das neue Biosphärenreservat geht darüber hinaus und erstreckt sich im Nordwesten Gambias auf einer Gesamtfläche von annähernd 200.000 ha, wovon ca. 45.700 ha der Kernzone angehören (23,6 %) sowie 15,3 % der Pufferzone. Wichtige Kernzonengebiete sind zudem der Jokadu-Nationalpark als Mangrovegebiet am Gambiafluss oder das Bao Bolong wetland reserve als ausgedehnter Überschwemmungsraum des Gambia-Flusses mit Mangroven, Salzwiesen, Wäldern oder Savannengebieten, vor allem aber vielfältigsten Gewässerökosystemen.

Das neue Biosphärenreservat ist von großer Bedeutung für Zugvögel des Wattenmeeres auf dem Ostatlantischen Zugweg, z. B. Brandseeschwalbe, Sandregenpfeifer, Uferschnepfe oder Regenbrachvogel, aber bietet natürlich auch Lebensräume für eine Vielzahl afrikanischer, teils fast ikonischer Arten, wie z. B. Afrikascherenschnabel, Schwarzhals-Kronenkranich oder Riesenfischer. Die ausgedehnten Mangroven sind von hoher vegetationskundlicher Bedeutung und die Priele und Nebenarme sind Lebensraum für Afrikanische Manatis.

 

Afrikanische Wollhalsstörche (Ciconia microscelis) im NIUMI Biosphärenreservat
Afrikanische Wollhalsstörche (Ciconia microscelis) im NIUMI Biosphärenreservat

© Florian Packmor / NLPV

Nach den ersten Konsultationen auf verschiedenen Verwaltungsebenen, während derer allseits eine starke Unterstützung zur Ausweisungsidee eines UNESCO-Biosphärenreservates signalisiert wurde, erfolgten die Vorbereitungstätigkeiten für die Antragstellung. Dabei zeigten sich hohe logistische Hürden, den nicht gerade einfachen Anmeldeantrag solide und faktenbasiert sowie technisch den Anforderungen entsprechend zu erstellen. Eine zunächst avisierte Kooperation mit senegalesischen Partnern verlief ohne konkretes Ergebnis. DPWM erstellte in dieser Zeit verschiedene sog. Sektorenstudien zu den Nutzungen und sozioökonomischen Belangen einer künftigen Niumi-Biosphärenregion. Insbesondere die kartographische Bearbeitung erwies sich als schwierig, so dass die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer unterstützend die Erstellung des Antrages durch das Büro Raum Consult aus Oldenburg im Jahre 2021 beauftragte. Im September 2023 wurde das Anmeldedossier nach umfangreichen Vorarbeiten und einem intensiven Austausch mit den Partnern in Gambia fertiggestellt und beim UNESCO-Sekretariat in Paris eingereicht. Die diesjährige ICC- Sitzung hat nun den finalen Beschluss zur Aufnahme des Niumi-Biosphräenreservates ins Weltnetz der Biosphärenreservate gefasst, was alle Beteiligten mit großer Freude erfüllt hat. Wir haben allen Anlass zu vertrauen, dass das neue Biosphärenreservat „Niumi“ mit viel gutem Leben gefüllt wird.

Die Zusammenarbeit geht weiter: Nunmehr ist beabsichtigt, dass beide Biosphärenreservate – Niumi und Niedersächsisches Wattenmeer – einen bilateralen Kooperationsvertrag zur Zusammenarbeit im Weltnetz und zur Umsetzung der Ziele des WSFI abschließen. Eine erste thematische Sammlung zu wissenschaftlichen Aktivitäten, zum Ausbau des Biodiversitätsmonitoring, zu Initiativen im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (z. B. Junior Ranger) oder zur Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftsformen (z. B. Naturtourismus) befindet sich gerade in der Aufstellung und soll im Herbst 2024 unterzeichnet werden. Eine ganz konkrete Kooperation hat sich bereits im Rahmen des EU-Life Projektes Godwit/Flyway, durchgeführt und koordiniert durch den NLWKN-Staatliche Vogelschutzwarte Niedersachsen ergeben. Hierin sollen Strategien zur Entwicklung von Schutzmaßnahmen für die Uferschnepfe im Winterquartier entwickelt und erprobt werden sowie weitere Umsetzungsschritte für das UNESCO-Biosphärenreservat etwa im Rahmen eines nachhaltigen Reisanbaus umgesetzt werden. Auch in dieser Kooperation zahlt sich für alle Beteiligten die mittlerweile langjährige vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit aus, die seit nunmehr acht Jahren fest etabliert ist. Und es beweist den tragfähigen, zukunftssicheren Ansatz der Wadden Sea Flyway Initiative, die genau solche ganz konkreten und praktischen Dinge befördern will, getreu dem Motto: Zugvögel finden dauerhaft Zufluchtsstätten entlang des Ostatlantischen Zugweges von den Brutgebieten über das das Wattenmeer bis an die afrikanischen Küsten. Zugvögel inspirieren und verbinden Menschen für zukünftige Generationen.

Wir freuen uns auf die folgenden Schritte gemeinsamen Wirkens hin zu mehr Nachhaltigkeit in unserer beiden Regionen.