Schleswig-Holstein

15.04.2011 |

April 2011

Moin. 18 Millionen Gäste besuchen alljährlich unseren Nationalpark. Dieses Jahr sind es noch mehr: 1 Bundespräsident und 1 Ministerpräsident (jeweils nebst Gattin), 26 Bayern, 18 Experten und 82 Ranger kommen heuer hinzu. Lesen Sie nur. Und fühlen Sie: den Frühling. Da will man kein Austernfischer sein. Die werden nur nachts satt. Siehe unten. Bleiben Sie uns gewogen. Ihre Nationalparkverwaltung

Austernfischer mit Peilung

Immer weniger Austernfischer brüten im deutschen Wattenmeer: 1998 waren es 33.000 Brutpaare, 10 Jahre später nur noch 19.000. Dr. Philipp Schwemmer (35), Biologe am Büsumer Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel untersucht, was Austernfischer bewegt.

„Die rückläufigen Bestände von Austernfischern sind besorgniserregend. Mit einer neuen Technik können wir nun detailliert untersuchen, wie Austernfischer ihren Lebensraum nutzen – und kommen so vielleicht dem Bestandsrückgang auf die Spur.

Austernfischer können heute mit winzigen GPS-Geräten ausgerüstet werden, die ihren Aufenthaltsort auf 10 Meter genau ermitteln und im Gerät abspeichern. Das Gerät ist eine knapp 3 x 3 Zentimeter große Platine die 15 Gramm wiegt. Dazu müssen wir die Vögel natürlich fangen, das ist aber einfach, da wir brütende Austernfischer untersuchen. Eine Maschendraht-Falle wird über das Gelege gestellt. Obwohl dieser Fremdkörper dort steht, hat der Austernfischer den starken Drang, auf sein Gelege zurückzukehren und geht in die Falle. Wir befestigen das GPS-Gerät dann mit Klebeband am Schwanz des Vogels. Alle zwei Minuten dokumentiert es Position, Uhrzeit und die Bewegungsgeschwindigkeit. Eine Woche später – dann ist die Batterie meist auch schon leer – fangen wir ihn auf dieselbe Weise, nehmen das Gerät ab und lesen die Daten aus.

Bei unseren seit 2008 auf Oland und Spiekeroog gemachten Untersuchungen stellten wir fest, dass Austernfischer während der Brutzeit immer wieder ihre angestammten Nahrungsgebiete aufsuchen. Tagsüber fliegen sie nur relativ kurz in diese Gebiete, meist nah gelegene Wattflächen. Meist kehren sie nach einer halben Stunde zum Nest zurück und lösen ihren Partner ab. Nachts fliegen sie aber nahrungsreichere Wattgebiete an, die bis zu 5 Kilometer entfernt liegen und bleiben dort meist mehrere Stunden.

Ein Austernfischer darf sich nicht zu lang von seinen Eiern oder Küken entfernen. Der Grund sind Möwen und Greifvögel: während es Sturmmöwen vor allem auf die Eier abgesehen haben, erbeuten Silbermöwen, Rohr- und Wiesenweihen oder Sumpfohreulen gern die Küken. Die Austernfischer greifen sie aktiv an. Das ist besonders effektiv, wenn es beide Partner machen. Oft helfen auch benachbarte Brutvögel, obwohl sie nicht unmittelbar bedroht sind. Mit gemeinsamen Kräften, mit Schnabelhieben und Flügelschlägen werden Eindringlinge in die Flucht geschlagen. Nachts ist der Nachwuchs nicht durch tagaktive Möwen oder Greifvögel gefährdet und – auf den meisten Inseln – auch nicht durch Füchse oder andere Bodenräuber. Dann können die Vögel länger fressen und die besten Nahrungsgebiete aufsuchen.

Dass Nachwuchs-Räuber einen so großen Effekt auf den Tagesrhythmus und die Nahrungswahl der Brutvögel in den Salzwiesen haben, ist meines Wissens bisher nicht bekannt gewesen und war erst durch die neue Technik aufzuspüren. Es ist eine Methode, die viel Potenzial birgt und auch kuriose Ergebnisse liefert: ein Austernfischer der sich immer nur im Watt ernährte, flog einmal 6 Kilometer ins Binnenland. Dort hielt er sich einige Minuten an einem Frischwasserteich auf und flog dann zurück. Wir vermuten, dass er sich mal mit Süßwasser putzen wollte.“

Nicht nur in Afrika

Nicht nur in Afrika, auch im Watt gibt es die „Big Five“, doziert Luisa (12) von der Husumer Theodor-Storm-Schule. Ihre „Small Five“ hatte sie Bundespräsident Christian Wulff, seiner Frau Bettina sowie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und seine Frau Sandra schon zuvor präsentiert: Wattwurm, Nordseegarnele, Wattschnecke, Herzmuschel und Strandkrabbe. Christian Wulff wies auf die hohe Verantwortung hin, die das Weltnaturerbe-Prädikat für den Erhalt intakte Natur bedeute. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen erklärte, dass die Kinder der Nationalparkschulen in Husum und Wesselburen stolz sein können, einen so wunderbaren Nationalpark vor ihrer Haustür zu haben.

Bayern wandern

26 Nationalpark-Partner aus dem Bayerischen Wald besuchten ihre Kollegen im schleswig-holsteinisches Wattenmeer. „Nicht Luchs, sondern Herzmuschel – die Verschiedenheit der Natur macht aus diesem Treffen etwas Besonderes“, sagt Matthias Kundy, der Projektleiter der Nationalparkverwaltung in Tönning. Und Britta Baums, seine bayerische Kollegin, erklärt: „Wir möchten voneinander profitieren, indem wir gute Ideen und Erfahrungen austauschen und Neues entwickeln“.

In St. Peter-Ording gab es eine Wattwanderung mit der Schutzstation Wattenmeer, in Westerhever wurden Rastvögel beobachtet sowie der Leuchtturm bestiegen und in Tönning das Multimar Wattforum besichtigt. Mit den hiesigen Nationalpark-Partnern kamen die Bayern bei einem gemütlichen Abend ins Gespräch. Bei einer Halligfahrt empfingen die Hooger Nationalpark-Partner ihre bayerischen Kollegialbetriebe.

Während der Nationalpark Wattenmeer unterschiedliche Partnerbetriebe vereinigt, beispielsweise Gemeinden, Reedereien, Touristinformationen oder Wattführer, gehören im Bayerischen Wald vor allem Hotels, Ferienhäuser und andere Anbieter von Unterkünften dazu, aber auch die beiden „Igelbus“-Betreiber.

Partner spazieren

In Deutschland gibt es in 14 Partnerschaftsprojekte in den Nationalen Naturlandschaften. Bundesweit sind sie in einer Arbeitsgemeinschaft von Europarc Deutschland organisiert, die sich zum 16. Mal traf, diesmal in unserem Nationalpark. Dabei diskutierten 18 Experten die Kriterien und Qualitätsstandards für Partner, die gegenseitige Beratung und Aufnahme neuer Partner-Initiativen, das bundesweite Marketing auch buchbarer Angebote und die Nutzung von Medien – vom Flyer bis Facebook.

Ein Spaziergang in die Salzwiesen von Westerhever vermittelte den Partner-Experten einen Einblick in unseren Nationalpark und in die Arbeit der Schutzstation Wattenmeer, die das Gebiet als Naturschutzverband betreut.

Naturwacht stiefelt

Zum 17. Mal traf sich der Bundesverband Naturwacht („German Ranger Association“) zum jährlichen Treffen. Neben der „Ordentlichen Mitgliederversammlung“ gab es viele Vorträge und Diskussionen zu unserem Nationalpark. Außerdem mehrere Exkursionen, die die 82 Ranger nach St. Peter und Westerhever führten. Das Programm gab dazu den Hinweis „Wichtig: höhere Gummistiefel mitbringen!!“

Deutschlands Ranger arbeiten in Nationalen Naturlandschaften, aber auch in Naturschutzgebieten, Biologischen Stationen, für Kommunen und Landkreise. Sie sind Mitarbeiter in Verwaltungen, Stiftungen und anderen Einrichtungen oder auch freiberuflich tätig. Sie haben einen „grünen“ Beruf und eine Fortbildung als Geprüfte Natur- und Landschaftspfleger. Sie heißen Naturwacht, Nationalparkwart oder Schutzgebietsbetreuer und sind überwiegend in der freien Landschaft tätig. Als Umweltbildner führen sie durch ihr Schutzgebiet und sorgen für ein unmittelbares Naturerlebnis. Als Landschaftspfleger bewahren sie die Unversehrtheit von Lebensräumen und erfassen die natürliche Vielfalt.

Wal mit Hörstab sehen

Blinde und Sehbehinderte können das Walhaus im Multimar Wattforum jetzt akustisch wahrnehmen: Hörstäbe beschreiben Räume wie die Themenkammern des Walhauses und liefern an über 70 Standorten Informationen zu Walen und anderen Multimar-Themen. Die kostenlos ausleihbaren Hörstäbe werden in rote (auch an sehende Begleitpersonen wurde gedacht), erfühlbare Trichter gesteckt und aus dem Hörstab tönen die Geschichten, insgesamt zwei Stunden lang.

Die Idee dazu hatte Dr. Jürgen Trinkus, der Vorsitzende von Andersicht e.V. Ein Team des Vereins Hörfilm e.V. hat die blindengerechte Beschreibung der Räume und Themen erstellt. Dieses Audio-System wird erstmalig in einer Ausstellung genutzt. Es kostet zusammen mit dem tastbaren Walhaus-Lageplan knapp 15.000 Euro, die aus dem Blindenfond des Sozialministeriums stammen. Bewährt es sich, wird das Multimar Wattforum die gesamte Ausstellung mit dieser modernen Technik ausstatten und auf den Ausstellungsführer in Brailleschrift verzichten.

Weiterbildungsbefragung

Mit einer Online-Befragung zur Weiterbildung möchte das Institut für Management und Tourismus der FH Westküste (IMT) das touristischen Weiterbildungsangebot verbessern. Schleswig-Holsteiner, die im Tourismusbereich arbeiten, dürfen sich angesprochen fühlen. Die Beantwortung nimmt etwa 5- 7 Minuten in Anspruch. Die Ergebnisse ermöglichen ein passgenaues Weiterbildungsangebot für die Tourismusbranche. Davon kann auch der Nationalpark profitiere.

Bücher

In English, please

Wer auf Klassenfahrt die Landesgrenzen im internationalen Wattenmeer überschreitet, hat vielleicht dasselbe Problem wie der Beamte des Umweltministeriums bei Verhandlungen mit dänischen und niederländischen Kollegen: Er weiß nicht, was Strandskade und Scholekster bedeuten. Wo das normale Dictionary streikt, weiß das viersprachige Wattenmeer-Wörterbuch aber die Antwort: Austernfischer!

In der 2. Auflage liegt das 88 Seiten starke, deutsch-englisch-niederländisch-dänische Dictionary der Internationalen Wattenmeerschule (International Wadden Sea School, IWSS) vor. Es bietet nicht nur Tier- und Pflanzarten, sondern auch Allgemeines und Fachbegriffe aus Geographie, Ökologie und Naturschutz. Von A wie Ablagerung bis Z wie Zwischeneiszeit.

Die 100 wichtigsten Vokabeln werden in einer kleinen A5-Version besonders herausgestellt. Zusätzlich gibt es einige Seiten „Usefull phrases for guided tours“.


Herausgeber

LKN-SH | Nationalparkverwaltung
Schlossgarten 1 | D-25832 Tönning

Redaktion: Dr. Hendrik Brunckhorst, Bernhard Dockhorn
Kontakt:
www.nationalpark-wattenmeer.de
www.weltnaturerbe-wattenmeer.de