Schleswig-Holstein

15.08.2011 |

August 2011

Moin.
Der letzte Zivi geht, der erste BFDler (nicht Bufdi!) ist schon da. Gut. Einheimische sind stolz auf den Nationalpark, Jugendliche machen Nationalpark-Ferien und Kinder haben einen neuen Spiel-Krabbenkutter. Auch gut. Die Lachseeschwalbe aber hat nichts zu lachen.
Bleiben Sie uns gewogen.
Ihre Nationalparkverwaltung

Einmaliger Dienst

Von Kindesbeinen an hat der Biologe Rainer Borcherding (44) Krabben gefangen und Muscheln gesucht. Seine Diplomarbeit schrieb er über Käfer im Buchenwald. 1986 war er Zivildienstleistender bei der Schutzstation Wattenmeer e.V. Seit 16 Jahren leitet er die Personalschulung und Umweltbildung der Schutzstation, organisiert und betreut Zivildienst und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ). In diesem Jahr baut er den neuen Bundesfreiwilligendienst (BFD) im Wattenmeer auf.

„Die Schutzstation hatte 1972 bundesweit die ersten Zivildienststellen im Umweltbereich. Es war ein Novum, dass Zivis außerhalb des Sozialbereichs eingesetzt wurden. Gert Oetken, damals schon Vorsitzer der Schutzstation, hatte sich für ein Modellprojekt des Bundes stark gemacht. Die ersten Zivis hatten meist schon studiert, weil damals das Verweigerungsverfahren sehr kompliziert war. Wer die Zivi-Anerkennung schaffte, war in seiner Persönlichkeit schon relativ weit entwickelt. Ab 1983 gab es ein geändertes Anerkennungsverfahren, bei dem eine schriftliche Begründung genügte, so dass viele junge Zivis kamen. Nach 1993 hatten wir fast nur noch Schulabgänger.

Meist gab es rund 50 Zivis im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Die Schutzstation hatte 32 Plätze, die anderen gab es beim NABU, der Naturschutzgemeinschaft Sylt, dem Öömrang Ferian und beim Verein Jordsand. Im niedersächsischen Wattenmeer waren es etwa 15 Zivis, in anderen Nationalparks nur einzelne.

Die Zivis erledigten unterschiedlichste Naturschutzaufgaben: Zäune und Schilder aufstellen, Störer aus den Schutzgebieten holen, Seehundjägern beim Bewachen von Heulern oder Einsammeln von Kadavern helfen. Und sie beteiligten sich an Umweltbeobachtungsprogrammen: Rast- und Brutvögel, Tiere des Wattbodens und verölte Vögel zählen oder an bestimmten Stränden die Menge und Zusammensetzung des Mülls ermitteln. In der Bildungsarbeit übernahmen die Zivis jährlich einige Tausend naturkundliche Führungen und Vorträge, leiteten Seminare, erneuerten Ausstellungen, hielten Häuser instand, reparierten Fahrräder – und vertraten den Nationalpark Wattenmeer nach außen.

Seit den 1970er Jahren hat es etwa 1.500 Wattenmeer-Zivis in Schleswig-Holstein gegeben. Viele sind beruflich im Umweltbereich geblieben, sind Lehrer, Gärtner, Landschaftsplaner oder Botanikprofessor geworden. Die heutigen Präsidenten des Umweltbundesamtes und des Bundesamtes für Risikobewertung waren früher Küsten-Zivis, und einige sind im Ausland im Naturschutz tätig.

Zwei Drittel aller Gäste, die die Schutzstation betreut, sind Kinder und Jugendliche. Unsere Zivis, FÖJler und jetzt BFDler, sind ihnen biografisch nahe und kommen deswegen gut mit ihnen zurecht. Im Winter unterrichten sie in den Schulen an unserer Küste und in Hamburg 2.500 Schüler in selbst entwickelten Watt-Doppelstunden.

Ausgebildet werden Zivis, FÖJ- und BFDler in mehreren Seminaren von insgesamt vier Wochen Dauer. Darin geht es um Ökologie und Gebietsbetreuung, Didaktik und Sicherheit von Wattführungen; sie machen einen Erste-Hilfe-Schein, halten Referate und trainieren in Rollenspielen den Umgang mit Konfliktsituationen.

Neben dem Zivildienst gibt es seit 1991 das Freiwillige Ökologische Jahr, zunächst nur in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Es war eine thematische Erweiterung des Freiwilligen Sozialen Jahres, das es schon länger gab. Vor allem junge Frauen haben sich damals nach ihrem Schulabschluss dafür entschieden. Für die Schutzstation war das FÖJ zunächst nicht so attraktiv, weil Zivis länger als ein Jahr dienten. Das änderte sich aber 2003. Seitdem hatten wir jeweils zur Hälfte Zivis und FÖJler. Unser letzter Zivi geht nun aber im August, und wir haben alle Plätze mit Bundesfreiwilligen nachbesetzt.

„Bufdis“ mögen sie sich übrigens nicht nennen, weil das nach Karneval „Buftata“ und etwas albern klingt. So sind es nun BFDler. Wir haben bei der Schutzstation 28, einige werden noch hinzukommen und 8 weitere gibt es bei der Naturschutzgemeinschaft Sylt und beim NABU.
BFDler sind sozialversichert und bekommen 390 € im Monat abzüglich 100 € für Mietausgaben. Insgesamt soll es 35.000 BFD Plätze geben plus 35.000 FSJ/FÖJ-Stellen. Etwa 10 % sollen im Umweltbereich sein. Auch Erwachsene können am BFD teilnehmen, ¾ der Bewerber sind allerdings Schulabgänger.

Wir werden in Husum – ähnlich wie im FÖJ – Dienstleister für die deutsche Küstenregion, vermutlich von Rügen bis Borkum. Dabei betreuen wir die BFDler fachlich und organisatorisch und sind sozusagen die Servicestelle der NABU-Zentralstelle in Berlin. Es war Wunsch des Familienministeriums, große Verwaltungseinheiten mit mindestens 500 BFD-Plätzen einzurichten, daher kooperieren wir mit dem NABU.

Den Bundesbeauftragten für die Freiwilligendienste habe ich im Frühjahr gefragt, wer BFDler werden könne. Seine Antwort: „Alle, außer Außerirdische“. Wir hatten vor kurzem drei Monate lang einen Praktikanten aus Korea und bemühen uns nun um eine BFD-Stelle für eine Koreanerin. So können wir vielleicht eine Kooperation mit dem dortigen Wattenmeer aufbauen. Das ist natürlich mit Aufwand verbunden, aber wir wollen es probieren und sehen es auch als Option für andere Länder entlang des ostatlantischen Zugweges der Küstenvögel.

Meines Wissens sind wir die ersten, die zum 1. Juli großflächig mit dem BFD begonnen haben. Wir wussten: es muss funktionieren! Ohne Zivildienst, nur mit FÖJlern, könnte unser Verein nicht arbeiten. Deswegen haben wir uns offensiv für den BFD eingesetzt und es scheint zu klappen.

Es ist meines Wissens weltweit einmalig, dass junge Leute nach der Schule in einem freiwilligen Dienst ein Jahr lang etwas für die Gesellschaft tun. Dänen oder Holländer, mit denen wir darüber sprechen, halten es für eine tolle Idee, sagen aber, dass es bei ihnen keiner machen würde. Auch das FÖJ ist im Ausland kaum bekannt und löst dort immer wieder Erstaunen aus. Ich wünsche mir, dass dieses Experiment, Freiwilligdienste als biografischen Bestandteil in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, gelingt.“

Nichts zu lachen

Im vergangenen Jahr brüteten 42 Lachseeschwalben-Paare in Mitteleuropa: 41 bei Neufeld und Friedrichskoog, eines auf Föhr. Dieses Jahr waren es wieder 42 Paare, alle im Vorland des Neufelderkooges. Wegen der dramatischen Bestandssituation dieser Art (s. Nationalpark Nachrichten 4/2011) startete das schleswig-holsteinische Umweltministerium ein Artenhilfsprogramm: das Brutgebiet wurde durch Schilder kenntlich gemacht, zwei Personen beobachteten es zudem zwei Monate lang, zeitweise rund um die Uhr, die örtliche Bevölkerung wurde mit Postwurfsendungen informiert, ein Elektrozaun zum Schutz vor Füchsen errichtet und die Tiere wurden intensiv beobachtet und schonend kontrolliert und untersucht.

Die großen, gemeinsamen Anstrengungen des Bündnisses Naturschutz in Dithmarschen, der Schutzstation Wattenmeer, der Abteilung Tierökologie und Naturschutz der Universität Hamburg, der Gesellschaft für Freilandökologie und Naturschutzplanung, von Schäfern, und Nationalpark- und Küstenschutzverwaltung hatten letztlich wenig Erfolg: Nur etwa 10 Küken wurden flügge. Das nasskalte Wetter, ein mehrfach beobachteter Fuchs und Störungen waren die Gründe. Gegen eine Person, die die Tiere wiederholt und vorsätzlich störte, wurde Strafanzeige erstattet.

Seit etwa 10 Jahren ist der Bruterfolg derart schlecht. Bleibt es so, wird die Art in Mitteleuropa aussterben.

Watt für Korea

Das war Pharisäer*-Wetter. Den gab es dann auch in St. Peter-Ording und er begeisterte fünf koreanische Tourismusfachleute. 10 Tage besuchten sie das niederländische und deutsche Wattenmeer. Zwischen Südkorea und den drei Wattenmeerstaaten (DK, D, NL) besteht ein Kooperationsabkommen, denn auch in Korea gibt es ausgedehnte Wattgebiete von größter ökologischer Bedeutung. Die Regierung will einige Gebiete nun, nach Fertigstellung der großen Saemangeum Eindeichung, revitalisieren und eine internationale Wattenmeerforschung aufbauen.

Die Koreaner wollten bei ihrem Besuch sehen, wie man das Wattenmeer schützen und gleichwohl touristisch nutzen kann. Urlaub am Meer ist in Südkorea – trotz vieler Strände – nicht so populär wie bei uns. Die Touristiker aus Seocheon County wollen ihn nachhaltig entwickeln. Das Multimar Wattforum, die Führung im Holmer Siel, die Seehundstation in Friedrichskoog, die Radtour zur Hamburger Hallig oder der Besuch am Strand von St. Peter-Ording begeisterten sie. Nachhaltig.

* ein friesisches Heißgetränk

Facebook: Gefällt uns

15 Millionen Freunde – haben wir noch nicht. Können es aber werden, denn so viele Deutsche nutzen Facebook. Sie finden alte und neue Freunde, bekommen Hinweise auf coole Events, angesagte Geschichten oder aktuelle Termine. Seit einem Monat auch zu unserem Nationalpark. Kurze Infohappen, Appetitanreger, Hungermacher. Nicht täglich, aber auch nicht alltäglich.

Nationalpark-Ferien

Wo denn das Einkaufszentrum sei. Und der Fernseher. Diese Fragen stellten die 13 Kinder aus Hamburg während der Nationalpark-Ferien auf Hallig Langeneß nur am ersten Tag. Danach begeisterten der matschige Schlick, der Duft der Salzwiese, die urige Lorenbahn oder das Radfahren gegen den Wind mehr als jede Shopping-Möglichkeit. Vier Tage lang erforschten die Kinder aus Kirchdorf-Süd und Neuwiedenthal, zwei sozialen Brennpunkten der Hansestadt, den für sie komplett neuen Lebensraum Wattenmeer. Wattwandern, Halligrallye, Baden, Pfannkuchenbacken, Basteln und eine Nachtwanderung mit Morse-Quiz und Fackeln – all das machte Eindruck. Diese Nationalpark-Ferien wurden durch eine Spendenaktion der Commerzbank und Radio Hamburg ermöglicht und in einer Kooperation der Stiftung Mittagskinder und der Nationalparkverwaltung durchgeführt.

In der Woche zuvor hatten bereits 25 Kinder aus Nordfriesland und Dithmarschen – auch sie 8 bis 12 Jahre alt – Nationalpark-Ferien im Wattenmeerhaus auf Langeneß gemacht. Wattwanderungen, eine Rallye mit halligtypischen Aufgaben, gebastelte Strandfunde und die Erforschung von Fischen und Krebsen mit Senknetzen gehörten zu ihrem Programm. Trotz eindrucksvoller Schlechtwettertage war die Stimmung bestens. Die Unterstützung der Halligstiftung und der Wyker Dampfschiffs-Reederei hat sich also gelohnt. Und natürlich auch das Engagement von Jana, Marie, Katrin und Benjamin, den vier Praktikanten für die Umwelt, die die Nationalpark-Ferien leiteten.

Nationalpark-Stolz

Die Nationalparkverwaltung untersucht fortwährend den Zustand des Wattenmeers: Vögel werden gezählt, der Gesundheitszustand von Seehunden ermittelt und Pflanzenbestände kartiert. Ebenso erfolgt eine „Pulsmessung“ der Außenwirkung aller Bemühungen, um zu bestimmen, wie Menschen den Nationalpark sehen. Die Ergebnisse von 2010 fasst der Bericht des sozio-ökonomischen Monitorings (SÖM) zusammen.

Die Westküstenbewohner stehen dem Nationalpark sehr positiv gegenüber: 47 % geben an, dass er ihnen wichtig sei, weitere 40 % sind stolz auf ihn. Müssten sie über seinen Bestand entscheiden, würden 94 % der Einheimischen dafür stimmen. Die bundesweite Bekanntheit des Weltnaturerbe-Status ist innerhalb eines Jahres von 7 auf 13 % gestiegen. Als größte Gefahrenquelle schätzen Einheimische die Gefahr von Ölverschmutzungen ein. Wie in den Vorjahren haben sich in 2010 fast eine Million Menschen vor Ort über den Nationalpark informiert.

Geschichten-Strecke

Nach zwei Monaten intensiver Arbeit wurde die Geschichtenjäger-Kampagne abgeschlossen. Bei 34 Veranstaltungen in den Niederlanden und Deutschland brachten vier Geschichtenjäger-Teams insgesamt 360 Geschichten „zur Strecke“. Einheimische und Urlauber, Naturschützer, Bauern und Seefahrer berichteten von ihren ganz persönlichen Watt-Erlebnissen: lustige, gefährliche, eindrückliche. Sie beschreiben den Zauber dieser Landschaft und betonen ihre Schutzwürdigkeit. Die Kampagne steigerte die Bekanntheit und Wertschätzung des Welterbestatus. Hier sind die Videos zu sehen:

Weltnaturerbe Website
Facebook
Youtube

Spielplatz Krabbenkutter

Ein zehn Meter großer Krabbenkutter, die „Pornstrom II“, steht seit kurzem auf dem Spielplatz des Nationalpark-Zentrums Multimar Wattforum in Tönning. Umweltgerecht gebaut aus ungeschliffenem Naturholz, nimmt er Elemente eines richtigen Krabbenkutters auf – Baumkurre, Trommel- und Rüttelsieb sowie eine Kochstelle. Auf dem Themenspielplatz können Kinder im Sand spielen und dabei mehr Wasser einsetzen, als ihren Eltern lieb ist, auf einen Holz-Wal klettern oder den acht Meter hohen Holz-Leuchtturm erklimmen.

Der Krabbenkutter ist Teil der Neuausrichtung des Multimar Wattforums, die das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit 450.000 Euro aus dem Investitionsprogramm für nationale UNESCO-Welterbestätten fördert.

Bücher

Entdeckerheft

Regenschauer und Sturm? Macht nichts, an der Nordsee kann man immer etwas erleben. Gerade ist das „Entdeckerheft“ zum Nationalpark Wattenmeer erschienen. Damit können Kinder bei spannenden Rätseln und kniffligen Aufgaben ihr Wissen testen. Haben sie die teilweise anspruchsvollen Fragen geknackt, werden sie „Junior Ranger auf Entdeckertour“. Die Hefte gibt es für 2,50 € im Multimar Wattforum in Tönning, in den Nationalparkhäusern in Husum, auf Nordstrand und auf Föhr, im Naturzentrum im Katinger Watt oder in der Seehundstation in Friedrichskoog. Wer die richtigen Lösungen mitbringt, erhält dort eine Urkunde und ein Seehund-Abzeichen. Viel Spaß!

Wild und schön

„Wild und schön“ – auf 72 Seiten stellt Europarc Deutschland die 14 deutschen Nationalparks vor. Einem einführenden Text folgen jeweils Tipps für einen eintägigen und einwöchigen Aufenthalt im Nationalpark, die wichtigsten Fakten und Adressen. Eine generelle Einführung steht vor allen Gebietsbeschreibungen. Viele Bilder zeigen, wie wundervoll es allerorten ist.

„Natürlich nah“ – ist die Schwesterbroschüre. Sie folgt dem selben Muster und behandelt auf 84 Seiten die 16 Biosphärenreservate in Deutschland. Auch hier lockende Bilder. Beide Broschüren werden kostenlos abgegeben und es gibt sie digital.

Migratory Waterbirds

Die Bestände der Zugvögel im Wattenmeer haben sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verändert: Von den 34 untersuchten Vogelarten nahmen 14 in den Jahren 1987 bis 2008 deutlich ab, darunter Austernfischer, Säbelschnäbler, Seeregenpfeifer und Silbermöwe, während 8 Arten Bestandszunahmen aufwiesen. Das Internationale Wattenmeersekretariat veröffentlichte hierzu einen Bericht, der neben Trends auch die Ankunfts- und Wegzugzeiten, die Verteilung der Arten in verschiedenen Regionen und den Einfluss des Klimas beschreibt.


Herausgeber

LKN-SH | Nationalparkverwaltung
Schlossgarten 1 | D-25832 Tönning

Redaktion: Dr. Hendrik Brunckhorst, Bernhard Dockhorn
Kontakt:
www.nationalpark-wattenmeer.de
www.weltnaturerbe-wattenmeer.de