Schleswig-Holstein

15.12.2011 |

Dezember 2011

Moin. Ein neues, großes Thema wird kontrovers diskutiert: RWE Dea hat Erkundungsbohrungen beantragt, um im Watt weitere Ölvorkommen zu suchen. Zwei Fachleute beschreiben ihre Positionen dazu. Tiefenprobleme anderer Art hatte vielleicht der Pottwal, der sich in die flache Nordsee verirrte und im Nationalpark strandete. Dabei wird das Watt zurzeit überall tiefergelegt, aber nur virtuell. Bleiben Sie uns gewogen. Ihre Nationalparkverwaltung

Ölsuche im Watt

Bereits 1941 schloss die Deutsche Erdöl AG (DEA) mit dem Preußischen Staat einen 30jährigen Vertrag zur Erdölgewinnung im Wattenmeer. 1963 und 1981 wurde er verlängert. Nach erfolgreichen Probebohrungen und ausführlichen umweltpolitischen Diskussionen stimmte die Landesregierung 1984 dem Bau der Bohr- und Förderinsel Mittelplate zu. Bei der Einrichtung des Nationalparks 1985 genoss die inzwischen errichtete Insel bereits rechtlich Bestandsschutz. 2010 wurde die Konzession für die Ölförderung bis zum Jahr 2041 verlängert.

Seit Beginn der Förderung 1987 wurden von der RWE Dea AG mehr als 25 Millionen Tonnen Erdöl gewonnen. Die Ölförderung wird von Beginn an durch umfangreiche Begleituntersuchungen sowie ein technisches und ökologisches Monitoring kontrolliert. Viele konstruktive und technische Einrichtungen sorgen dafür, dass bisher kein Tropfen Öl in das Wattenmeer gelangte.

Seit einigen Jahren sind auch Horizontalbohrungen möglich, derzeit von zum Teil über neun Kilometern Länge. Diese Technik erlaubte im Jahr 2000 die Inbetriebnahme einer zweiten, außerhalb des Nationalparks gelegenen Fördereinrichtung in der Nähe von Friedrichskoog.

Für die beantragten Probebohrungen sind verschiedene Genehmigungen erforderlich, bei denen das Bergrecht und das Naturschutzrecht von Land, Bund und EU berücksichtigt werden:

  • Das Landesbergamt prüft den Rahmenbetriebsplan.
  • Die Nationalparkverwaltung im LKN-SH prüft das Projekt nach den Bestimmungen des Nationalparkgesetzes. Es beteiligt die Träger öffentlicher Belange (Kommunen, Verbände u.a.) sowie die Nationalparkkuratorien.

Um zu prüfen, ob von den bestehenden Fördereinrichtungen oder von außerhalb des Nationalparks weitere Vorkommen erschlossen werden können, hat RWE Dea bei der Nationalparkverwaltung die Genehmigung von drei Erkundungsbohrungen beantragt. Nach Auffassung der RWE Dea können nur sie Aufschluss über weitere Lagerstätten, deren genaue geologische Lage und Förderfähigkeit geben. Eine weitere Probebohrung ist im niedersächsischen Wattenmeer-Nationalpark vorgesehen. Die Erkundungsbohrungen in Schleswig-Holstein dauern jeweils 2 – 4 Monate und sollen – wie die Bohrung in Niedersachsen – von einem auf dem Wattboden stehenden Ponton aus erfolgen. Nach Beendigung der Arbeiten soll das Bohrloch mit Beton verfüllt und das gesamte Equipment wieder aus dem Watt gebracht werden.

Die drei schleswig-holsteinischen Erkundungsorte liegen im Nationalpark, zwei davon in der Zone 1. Alle sind vom Weltnaturerbegebiet umschlossen, liegen aber nicht in diesem, da im Zuge des Anerkennungsverfahrens zum Weltnaturerbe Exklaven für mögliche Bohrungen eingerichtet wurden. Diese Flächen sollen nach Abschluss der Arbeiten dem Welterbe-Gebiet hinzugefügt werden.

Die Antragsunterlagen liegen seit dem 4. November bei der Nationalparkverwaltung vor. Die Sachverhalte werden sorgfältig geprüft. Das Genehmigungsverfahren wird mindestens ein halbes Jahr dauern.

Wichtigste Voraussetzung für eine Zustimmung zum Vorhaben ist, dass eine etwaige zukünftige Förderung von der Mittelplate aus oder von außerhalb des Nationalparks gelegenen Standorten erfolgt. Der Bau zusätzlicher Fördereinrichtungen im Nationalpark wird von RWE Dea – ebenso wie vom Nationalparkgesetz – ausgeschlossen.

Die Diskussion um die Erkundungsbohrungen soll auch in den Nationalpark Nachrichten stattfinden. Dr. Michael Zettlitzer, Leiter des Bereiches Qualität, Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz der RWE Dea, und Silvia Gaus, Naturschutz-Expertin der Schutzstation Wattenmeer, beantworten dafür folgende Fragen:

1. Nationalpark und Erdölförderung – wie passt das zusammen?

Dr. Michael Zettlizer

Dr. Zettlizer: Wir sind überzeugt, dass die Förderung von Erdöl und der Schutz der Natur miteinander vereinbar sind. Der beste Beweis hierfür ist das Projekt Mittelplate: Seit über 25 Jahren fördern wir dort störungsfrei und umweltgerecht Erdöl im sensiblen Naturraum Wattenmeer. Mittelplate wird selbst von Umweltschutzorganisationen als positives Beispiel für eine verantwortungsbewusste Ölförderung hervorgehoben.

RWE Dea weiß um die Sensibilität des Wattenmeeres. Der Vorwurf, RWE Dea wolle die Ölförderung im Wattenmeer ausweiten, ist falsch: Es wird keine weiteren Fördereinrichtungen im Wattenmeer geben. Aus diesem Grund hat sich RWE Dea verpflichtet, Erdölvorkommen ausschließlich von der bestehenden Bohr- und Förderinsel Mittelplate aus oder von außerhalb des Nationalparks zu erschließen.

Bei den beantragten Erkundungsbohrungen handelt es sich um eine zeitlich eng begrenzte Maßnahme, die so ausgelegt ist, dass die Auswirkungen auf das Wattenmeer so gering wie möglich gehalten werden. Die Arbeiten richten sich strikt nach ökologischen Rahmenbedingungen (z.B. Brandgansmauser) und finden in naturschutzfachlich definierten Zeitfenstern statt. Es gilt das Null-Einleitungsprinzip: Von den beiden zum Einsatz kommenden Pontons (Bohr- und Wohnponton) gelangen keine Stoffe ins Wattenmeer. Selbst Spritz- und Regenwasser werden aufgefangen und an Land entsorgt. Licht- und Schallemissionen werden gemäß den für die Mittelplate etablierten hohen Standards minimiert. Eine optimierte Logistik reduziert die Anzahl an Versorgungsfahrten auf ein Mindestmaß.

Nach Durchführung der Bohrungen werden die Pontons und die Bohranlage umgehend komplett  abgebaut und aus dem Watt entfernt. Die Flächen können dann dem Weltnaturerbe-Gebiet zugeschlagen werden.

Silvia Gaus

Gaus: Gar nicht. Hierfür muss man sich einfach nur die Wertigkeit des Wattenmeeres und die Ziele eines Nationalparks vor Augen halten: Das Wattenmeer gehört zu den letzten vergleichsweise ursprünglichen Naturräumen Europas. Unzählige Würmer, Muscheln, Krebse und Jungfische schaffen die Nahrungsgrundlage für rund 10 Millionen Wat- und Wasservögel auf ihrem Zugweg. Aber auch Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale sind auf diesen Nahrungsreichtum angewiesen. Das ist ein empfindlicher Lebensraum, der schon heute von vielen Seiten unter Druck steht, da kann nicht noch mehr hinzukommen.

Aber auch für uns Menschen ist eine ungestörte Naturlandschaft sehr wichtig. Gerade in unserer hektischen Zeit ständiger Veränderungen hat das Erleben von Natur eine immer größer werdende Bedeutung. Und dann Industrieanlagen mitten in einer Landschaft, die deshalb ja eigentlich geschützt ist?

Mit der Ausweisung als Nationalpark erhielt das Wattenmeer den höchsten nationalen und internationalen Schutzstatus zuerkannt. Die IUCN (Internationale Union zum Schutz von Natur und natürlichen Objekten) definiert Nationalparks u.a. als natürliche Gebiete, die vorgesehen sind, um Ausbeutung ebenso zu verhindern wie andere Tätigkeiten, die dem Gebiet Schaden zufügen. Das Bundesnaturschutzgesetz regelt, dass Nationalparks „sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebietes in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden“ sollen. Auch das Nationalparkgesetz von Schleswig-Holstein beschreibt die Zielsetzung des Nationalparks eindeutig: Er soll dem Schutz und der natürlichen Entwicklung des Wattenmeeres dienen. Eigenart, Schönheit und Ursprünglichkeit sollen bewahrt werden. Ein möglichst ungestörter Ablauf der Naturvorgänge soll gewährleistet werden.

Demnach ist das Bild einer weiten und unverbauten Naturlandschaft mit ihren Tier- und Pflanzenarten doch der Kern des Wattenmeerschutzes!

Im krassen Widerspruch zu diesen Zielen eines Nationalparks stehen die Ölförderung und die „Mittelplate A“. Neben den direkten Folgen für die Natur ist besonders der Effekt auf das Landschaftsbild zu bewerten. In der freien und weiten Naturlandschaft wird die Öl-Insel als störender Fremdkörper wahrgenommen.

Nationalparks müssen auch Symbole für einen glaubwürdigen Naturschutz sein. „Natur Natur sein lassen“ ist das Motto dafür. In Nationalparks sollen sich die Menschen erholen und die Natur erleben können. Industrieanlagen schädigen dagegen den Wert und das Ansehen eines Nationalparks massiv, auch wenn es zu keinem Schadensfall kommen sollte.

2. Welche ökologischen Folgen hatte die Erdölförderung bisher?

Dr. Zettlizer: Seit Anbeginn des Projektes Mittelplate haben unabhängige Forschungsinstitute und Ingenieurbüros Begleituntersuchungen im Auftrag der RWE Dea im Wert von mehr als einer Million Euro durchgeführt. Dazu gehören neben biologischen Untersuchungen, bezogen auf Kleinstlebewesen, Fische und Vögel, auch meeresgeomorphologische und sedimentologische Auswertungen. Fazit: Es ist zu keinen erheblichen Auswirkungen auf Flora und Fauna des Wattenmeers gekommen. Die Ergebnisse des umfangreichen Monitorings dienen der Nationalparkverwaltung als eine wertvolle Informationsgrundlage über den Lebensraum Wattenmeer.

RWE Dea sucht gezielt nach Möglichkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. Aktuell ist ein Projekt zur Reduzierung der Licht-Emissionen abgeschlossen worden. Die optimierte neue Beleuchtung gibt nun möglichst wenig Streulicht in die Umgebung ab und sorgt dafür, dass möglichst wenige nächtlich ziehende Vögel bei schlechter Sicht von der Mittelplate angelockt werden. Eine Schwächung der Vögel durch Desorientierung wird so vermieden. Ein weiterer Punkt ist die anstehende Erneuerung der Schiffsflotte zur Versorgung der Mittelplate. Ziel ist die Reduzierung der Schiffsbewegungen durch den Einsatz größerer Schiffe, die allesamt mit Motoren neuester Bauart zur Reduzierung des Spritverbrauchs und der Umweltemissionen ausgerüstet werden. Damit leistet RWE Dea einen weiteren Beitrag zum Umweltschutz im sensiblen Wattenmeer.

Gaus: Das ganze Ausmaß der durch die Ölförderung im Wattenmeer hervorgerufenen ökologischen Folgen ist heute kaum noch abschätzbar, da schon seit 1955, zunächst nur wegen der Suche nach Öl, immer wieder Störungen und Eingriffe in diesem Zusammenhang stattfanden.

Die Errichtung der Öl-Insel, deren Betrieb und Versorgung sowie die Öltransporte führten zu ständigen Störungen, die eine objektive Einschätzung der ursprünglichen Bedeutung des Gebietes nicht mehr ermöglichen. Veränderungen im Verhalten der Meeressäuger sowie im Nahrungs- und Rastgeschehen der Vogelwelt können nur vermutet werden.

Neben dem laufenden Betrieb der Öl-Insel kommt es seit Jahren immer wieder zu weiteren Baumaßnahmen und damit verbundenen Störungen. 2005 führte eine Pipelineverlegung über Monate dazu, dass sich die größte Baustelle des Landes ausgerechnet im Nationalpark befand. Dass RWE Dea während solcher Baumaßnahmen nicht zimperlich ist, wird hier erkennbar. Ungenehmigt wurde mit erheblichem Baggeraufwand ein Priel zu einer Fahrrinne vertieft. Dabei wurden Kleibänke abgebaggert. Im Monitoringbericht wird zugegeben, dass dies offensichtlich erhebliche Auswirkungen auf die natürlichen Abläufe im Nationalpark und dessen Schutzziele haben werde.

Erhebliche ökologische Folgen ziehen auch die seit 2006/2007 durchgeführten Kolkschutzmaßnahmen nach sich. Nicht nur, dass bis zu 8,5 Hektar Wattboden mit Schlackesteinen überdeckt werden. Auch der auf die Bohrinsel zugewanderte Priel wird jetzt durch die Mittelplate in seinem natürlichen Verlauf „behindert“. Dies führt zu einer künstlich hervorgerufenen Vertiefung der Sohle und damit u.a. zur Veränderung der Strömungsgeschwindigkeit. Das Wattenmeer ist ein dynamischer Lebensraum. Jeder Eingriff in das natürliche Gleichgewicht löst in einer Kettenreaktion weitere Veränderungen aus.

3. Welche Chancen und Risiken bieten die Erkundungsbohrungen?

Dr. Zettlizer: Wir sehen große Chancen, mit dem vermuteten Förderpotenzial einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der deutschen Energieversorgung zu leisten und die wirtschaftliche Entwicklung Norddeutschlands zu fördern. Durch die Erschließung neuer Ölreserven vermindern wir nicht nur die Importabhängigkeit Deutschlands, sondern sichern und schaffen auch neue Arbeitsplätze.

In strukturschwachen Küstenregionen werden durch die inländische Ölförderung direkt und indirekt Arbeitsplätze geschaffen: An der schleswig-holsteinischen Westküste stehen heute bereits über 1.000 Arbeitsplätze in direktem Zusammenhang mit dem heimischen Öl. Darüber hinaus unterstützen die Förderabgaben die Haushalte der Bundesländer. Schleswig-Holstein hat allein 2010 rund 80 Millionen Euro Förderabgaben erhalten. 2011 werden es voraussichtlich über 100 Millionen Euro. Im Falle einer Fündigkeit der Erkundungsbohrungen sichern diese Abgaben die bestehenden Arbeitsplätze und führen zur Schaffung neuer.

RWE Dea hat im Laufe der 112-jährigen Unternehmensgeschichte eine Philosophie und die dazu gehörigen Prozeduren entwickelt, die ein sicheres Niederbringen von Bohrungen gewährleisten. Die bewährten Bohr- und Fördertechnologien – insbesondere die bei den Bohrungen besonders wichtigen Arbeitsschritte Verrohrung und Zementation – setzt RWE Dea ohne Zeitdruck konsequent auf höchstem Sicherheitsniveau ein.

Trotz der Energiewende in Deutschland können wir auf Erdöl in absehbarer Zeit noch nicht verzichten. Bis auf weiteres benötigen wir Erdöl als Kraftstoff z.B. für Autos und Flugzeuge. Außerdem ist Erdöl Ausgangsstoff für eine enorme Anzahl unterschiedlichster Alltagsprodukte. Angefangen bei medizinischen Produkten bis hin zu Handy oder Computer – der Verzicht auf Erdöl würde mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität einhergehen.

Bis zur Schaffung funktionierender Alternativen sollte der wertvolle heimische Bodenschatz deshalb sicher gefördert und sinnvoll genutzt werden.

Gaus: Derzeit ist nur bekannt, dass RWE Dea die Anträge für Explorationsbohrungen gestellt hat. Eine Beurteilung der Sachverhalte kann erst nach Prüfung der Unterlagen erfolgen, falls die zuständigen Behörden das Genehmigungsverfahren, in dem auch die Naturschutzverbände beteiligt werden müssen, überhaupt eröffnen und nicht schon von sich aus die Anträge zurückweisen.

Bereits jetzt ist jedoch sicher, dass – sollte es wirklich zu den Bohrungen und einer Ausweitung der Ölförderung im Wattenmeer kommen – eine große Chance verpasst wird. Statt weiter auf erneuerbare Energien zu setzen, wird dann im Wattenmeer ausgerechnet der Kohlenstoff gefördert, der nach seiner Verbrennung als Treibhausgas Kohlendioxid den Klimawandel forciert und damit die Zerstörung des Wattenmeeres durch den sich beschleunigenden Meeresspiegelanstieg herbeiführen könnte.

Soll der Klimawandel gestoppt werden, muss ein Teil der Öl- und Kohlevorräte der Welt im Boden bleiben und darf gar nicht erst gefördert werden. Und wo sonst, wenn nicht in Schutzgebieten sollte mit dieser Klimaschutzmaßnahme begonnen werden?

Das oftmals vorgebrachte Argument der „Versorgungssicherheit“ verliert an Bedeutung, wenn man sich vor Augen führt, dass der monatliche Rohölimport Deutschlands ca. 8 Millionen Tonnen beträgt. Die jährliche Fördermenge auf der Öl-Insel ist mit 0,9 Millionen Tonnen dabei nicht mehr als „der Tropfen auf den heißen Stein“ (Zahlen 2009). Wiegen wenige Prozente des deutschen Ölverbrauchs wirklich mehr als die intensive und prägende Naturerfahrung in der unendlich erscheinenden Weite des Nationalparks Wattenmeer?

Gestrandet

200 Pottwale strandeten in den vergangenen 300 Jahren in der Nordsee. Der vorerst letzte wurde von einem Fischer tot vor Pellworm entdeckt, von der Wasserschutzpolizei geborgen und von einem Schiff des Landesbetriebes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN) in den Meldorfer Hafen geschleppt. Ein deutsch-dänisches Expertenteam zerlegte den Wal. Für Multimar-Leiter Gerd Meurs war es der 25., für einen Dänen bereits der 35. Pottwal. Um die Knochen perfekt zu säubern und zu entfetten, liegen sie jetzt einige Monate in einem Spezialbecken des Deutschen Meeresmuseums Stralsund. Danach soll das Skelett im Museum für Naturkunde in Münster gezeigt werden.

Das 15 Meter lange Tier war schätzungsweise 20 – 30 Jahre alt, die Todesursache ist unbekannt. Wie alle in der Nordsee gestrandeten Tiere war es ein männliches Tier. In kleinen Gruppen wandern junge Bullen zu Beginn des Winters aus dem polaren Eismeer in den mittleren Atlantik. Einige lassen die Nordsee nicht links liegen, sondern gelangen irrtümlich in das für sie zu flache Küstenmeer. Wissenschaftler des Forschungs- und Technologiezentrum Westküste in Büsum sehen dabei einen Zusammenhang mit sonnenverursachten Veränderungen des Erdmagnetfeldes, die etwa im zehnjährigen Rhythmus als Sonnenflecken sichtbar sind. Die aktuelle Strandung passt, wie die vorhergehende im Jahr 2002, in dieses Schema. Seit Oktober gibt es wieder viele Sonnenflecken, bei Sonnenaufgang kann man sie sogar mit dem ungeschützten Auge sehen.

Interaktive Säulen

Die Anerkennung als Weltnaturerbe hat vielfältige Auswirkungen in der Region. Sehr sichtbar sind in Nordfriesland und Dithmarschen bald 61 geschwungene „Säulen“, Infomodule, die an vielen Orten drinnen wie draußen stehen werden. Die erste Säule wurde in der Sturmflutenwelt Blanker Hans in Büsum vorgestellt. Je nach Einsatzort sind die Säulen mehr oder weniger interaktiv, einige beinhalten einen Computer. Die neuen Infomodule stehen auch in Niedersachsen und in den Niederlanden. So wird länderübergreifend und mit einheitlichem Auftritt über das Weltnaturerbe informiert. Finanziert werden die Infosäulen aus dem Welterbeprogramm des Bundesverkehrsministeriums.

Natur-Tourismus

110 Interessierte aus den Bereichen Tourismus, Naturschutz und Bildung nahmen an der Fachtagung „Naturerlebnis im touristischen Angebot“ in Husum teil. Hauptthema war der Auftrag des UNESCO-Welterbe-Komitees, eine Strategie für nachhaltigen Tourismus für die Wattenmeer-Region zu formulieren. Impulse dazu gab ein Vortrag des Leiters der Stiftung UNESCO Weltnaturerbe Schweizer Alpen-Jungfrau-Aletsch, Beat Ruppen. In der Schweizer Region, die vor zehn Jahren in die Welterbe-Liste aufgenommen wurde, wird das Konzept für nachhaltigen Tourismus bereits umgesetzt. Die Husumer Teilnehmer brachten ihre Ideen, Wünsche und Bedenken für eine praxisnahe Tourismusstrategie im Wattenmeer ein.

Partner-Treff

Beim Jahrestreffen der Nationalpark-Partner im Christian Jensen Kolleg in Breklum wurden zwei Neue begrüßt: die Fachklinik Norderheide in Bordelum und das Strandhotel Fernsicht in Tönning. Insgesamt sind nun 126 touristische Betriebe der Region Nationalpark-Partner. Neben Vorträgen und dem Austausch von Ideen und Plänen wurde einige Mitglieder des Vergaberates gewählt, der über die Beitrittsbewerbungen entscheidet. Das Gremium besteht aus vier Vertretern der Nationalpark-Partner, einer Vertreterin der Nordsee-Tourismus-Service GmbH, einem Vertreter der Insel- und Halligkonferenz und zwei Mitarbeitern der Nationalparkverwaltung.

Nationalpark-Partner können regionale Unternehmen aus den Kategorien „Unterkunft & Gastronomie“, „Natur & Erlebnis“, „Orte & Infostellen“ sowie „Reisen & Verkehr“ werden, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen – beispielsweise eine besonders hohe Servicequalität, Identifikation mit dem Nationalparkgedanken und umweltbewusstes Wirtschaften. Ziel des Programms ist es, ein Netzwerk zu schaffen, das eng mit der Nationalparkverwaltung zusammenarbeitet und für Gäste der Region besondere Angebote schafft. Am 25. und 26. Januar treffen sich viele der bundesweit rund 500 Nationalpark-Partner im Nationalpark Kellerwald.

Tiefergelegt

Alles ist relativ, jetzt auch das Seekartennull. Daran erkennt der Seemann, wie viel Wasser er unter seinem Kiel mindestens hat. Da der Wasserstand – mondbedingt – alle zwei Wochen besonders niedrig ist, war das mittlere Springtideniedrigwasser dafür ein gutes Maß. Um den Stand des Niedrigwassers international zu standardisieren, hat die International Hydrographic Organization 2005 die astronomische Tide (Lowest Astronomical Tide) eingeführt. Die Folgen sind in jedem Land unterschiedlich. An der deutschen Nordseeküste wird das Seekartennull damit im Mittel 50 cm (± 10 cm) tiefergelegt. Schiffe haben dann scheinbar weniger Wasser unter dem Kiel. Auf den Seekarten wird der Gezeitenbereich 2 – 10 % größer. Wo die Wattkanten die Grenzen der Schutzzonen bilden, werden auch die Schutzzonen größer. Da das Watt rechnerisch aufgehöht wird, werden weniger kleine Priele dargestellt, seine kartografische Anmutung wird trockener. Wattwanderer müssen Obacht geben: künftige Seekarten zeigen weniger Priele!

Auch in der Waagerechten gibt es Neues. Mit der EU-Richtlinie INSPIRE von 2007 wird der europäische Teil der Erdkugel nun durch einen neuen Ellipsoiden mathematisch beschrieben und mit einer neuen Projektion (UTM statt Gauß-Krüger) auf die Karte gebracht. Damit ist eine bessere Angleichung europäischer Karten möglich. In Schleswig-Holstein und im LKN-SH soll die Umstellung im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Weil Längen und Flächen in Schleswig-Holstein auf den Karten schrumpfen, wird der Nationalpark kleiner. Wenige Prozent, wenn überhaupt. Umrechnungsprogramme werden zurzeit entwickelt. Wenn es sie gibt, geht die Arbeit erst richtig los: allein in der Nationalparkverwaltung sind viele Monate erforderlich, um die in über 20 Jahren gesammelten Daten umzurechnen.

Bücher

Multimar Jahreskarte

Sie fühlt sich nicht an wie ein Buch, sieht nicht aus wie ein Buch und ist auch keines: die Multimar Jahreskarte. Bis zum 6. Januar 2012 gibt es sie zum halben Preis: Familien 30 Euro, Erwachsene 12,50 €, Kinder 5 €. Für alle gibt es 30 % Ermäßigung bei Sonderveranstaltungen. In der Ausstellung kann man vieles lernen – noch besser als in einem Buch. Und als weihnachtliche Geschenkidee taugt die Karte auch – wie ein Buch. Deshalb darf sie, ausnahmsweise, in dieser Rubrik stehen.


Herausgeber

LKN-SH | Nationalparkverwaltung
Schlossgarten 1 | D-25832 Tönning

Redaktion: Dr. Hendrik Brunckhorst, Bernhard Dockhorn
Kontakt:
www.nationalpark-wattenmeer.de
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