Schleswig-Holstein

15.06.2011 |

Juni 2011

Moin. Als Polly Rohwedder noch Fischer und Friedrichskoog ein lebendiger Hafen war, wurden in der Elbmündung Glasaale gefischt. Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass Aale eine im Bestand gefährdete Art werden. Die Zeiten ändern alles. Für den Aal werden Fangverbote und andere Managementmaßnahmen diskutiert, beispielsweise am 8. Juni im Multimar. Polly Rohwedder fischt schon lange nicht mehr und geht jetzt, mit 86, auch als Nationalparkwart in den Ruhestand. Alles Gute, Polly! Bleiben Sie uns gewogen. Ihre Nationalparkverwaltung

aale-portrait

„Der Aal ist einer unserer bekanntesten und beliebtesten Fische. Er ist auch ein Wattenmeerfisch. Früher gab es einen echten Aalbestand in der Deutschen Bucht, der in den 1960er und 1970er Jahren auch kommerziell befischt wurde.

In der Biskaya werden gegenwärtig jährlich nur noch etwa 40 Tonnen Glasaale gefangen, etwa 7 Tonnen (rund 20 Millionen Tiere) sind nach den Angaben der deutschen Aalbewirtschaftungspläne für Besatzzwecke in Deutschland erforderlich. Für ein Kilogramm Glasaale werden 600 Euro gezahlt.
Der Aal ist der einzige Fisch im Bereich der Binnenfischerei, für den es eine eigene Verordnung der EU gibt. Sie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass die Zahl der zum Laichen abwandernden Blankaale – verglichen mit dem vom Menschen unbeeinflussten Zustand – mindestens 40 % der früheren Mengen entspricht. Dafür muss jedes Land eigene Managementpläne entwickeln.

Aale haben einen außergewöhnlichen Lebenszyklus. Die alten Tiere laichen in der Sargasso-See, im westlichen Nordatlantik, 5.000 – 6.000 Kilometer von den europäischen Küsten entfernt. 2 – 3 Jahre später sind die zunächst weidenblattförmigen Larven zu 7 Zentimeter langen Glasaalen herangewachsen und kommen an Europas Küsten, besonders viele in die Biskaya. Die Fische bleiben dann zeitlebens in den Küstengewässern oder wandern in die Binnengewässer ein. Sie bekommen eine dunkle Haut, wachsen und bleiben als Gelbaale etwa 6 – 12 Jahre in unseren Gewässern. In Südeuropa ist diese Spanne kürzer, in Nordeuropa deutlich länger. Dann wandeln sie sich zum Blankaal und wandern zum Laichen zurück in die Sargasso-See. Ihr Verhalten dort ist weitgehend unbekannt. Fischereiforschungsschiffe verschiedener Nationen waren bereits in dem Seegebiet, aber ein laichender Aal wurde noch nie gefangen.

Die Bestandssituation des Aals ist sehr kritisch. Das heutige Glasaalaufkommen entspricht 1 % der Höchstwerte Ende der 1970er Jahre und 3 – 5 % des langjährigen Mittels. Die Fänge von Gelbaalen sind auf 15 – 20 % der früheren Erträge zurückgegangen. Das ist im Vergleich zum Glasaalaufkommen relativ hoch, weil in der Biskaya, in Frankreich, Portugal und England Glasaale gefangen werden, die als Besatzaale in unsere Gewässer gesetzt werden. In der Havel kommen beispielsweise auf einen natürlich eingewanderten Aal etwa sechs Aale, die dort eingesetzt wurden.

Das Verbreitungsgebiet des Europäischen Aales reicht von Nordafrika bis nach Norwegen und Island. Überall gehen die Bestände in etwa gleicher Weise zurück. Der Internationale Rat zur Erforschung der Meere, der ICES, fordert deshalb, alle menschlichen Einflüsse auf das absolute Minimum zu reduzieren. Einige der Gründe für den Rückgang kennt man, die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren ist aber noch unklar.

Die Fischerei entnimmt große Mengen, nicht nur Glasaale, sondern auch Speisefische, die dem Bestand zur Vermehrung fehlen. Viele Tiere sterben an technischen Einrichtungen, wie Schöpfwerken oder Wasserkraftturbinen. Heiß umstritten ist der Wegfraß durch Kormorane. Wissenschaftler schätzen, dass Kormorane in Deutschland nicht viel weniger Aale fressen als die Kraftwerke töten oder die Fischerei entnimmt.

15 Forschungsinstitute und Verbände, staatliche und private Einrichtungen aus sieben Nordseeanrainerstaaten wollen bis Ende 2012 die Bestände wandernder Fischarten in der Nordsee ermitteln, ihre Wanderrouten kartieren und daran mitarbeiten, die Bestände zu regenerieren, nachhaltig zu sichern und zu nutzen. Dafür haben sie sich in dem Interreg Projekt Living North Sea zusammengeschlossen, das von der EU gefördert wird. Interessierte können einen Newsletter beziehen.

Hinzu kommen Krankheiten, der Befall mit Parasiten und die Gewässerverschmutzung: Schadstoffe wie PCB oder dioxinartige Stoffe reichern sich in den fettreichen Aalen besonders stark an. Während der Laichwanderung wird das Fett abgebaut. Diese Schadstoffe gehen dann vermutlich in die Geschlechtsprodukte über, was dazu führen kann, dass die schlüpfenden Larven geschädigt oder nicht überlebensfähig sind.

Man weiß auch, dass die Wassertemperatur in der Sargasso-See leicht angestiegen ist. Kollegen haben gezeigt, dass das Algenwachstum in der Sargasso-See deshalb gesunken ist. Die Aal-Larven haben deshalb möglicherweise nicht genug zu fressen. Auch andere ozeanisch-klimatische Faktoren werden als mögliche Ursachen für den Rückgang diskutiert, wie beispielsweise veränderte Strömungsverhältnisse.

Unabhängig davon, ob die Hauptursachen des Rückgangs im ozeanischen oder kontinentalen Bereich liegen, ergeben sich Ansatzpunkte für eine Stützung und Förderung der Aalbestände kurzfristig nur im kontinentalen Bereich. Das schließt Beschränkungen der Fischerei ebenso ein, wie Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensräume und zur Durchgängigkeit der Gewässer. Manche Wissenschaftler empfehlen eine völlige Schließung der Aalfischerei.

Die Fischerei ihrerseits weist darauf hin, dass sie ein noch stärkeres Absinken der Aaldichten in unseren heimischen Gewässern durch Besatzmaßnahmen verhindert. Tatsächlich wären die Aaldichten in unseren Seen und Flüssen ohne die langjährigen Besatzmaßnahmen bereits heute sehr viel niedriger und würden in den nächsten Jahren auch noch weiter sinken. Besatz ist wissenschaftlich jedoch umstritten. Da die kontrollierte Vermehrung der Aale noch nicht möglich ist, müssen alle Besatzaale dem Wildbestand vorher an anderer Stelle entnommen werden. Weil bei Fang und Transport von Glasaalen teilweise beträchtliche Sterblichkeiten auftreten, ist der Nutzen dieser Besatzmaßnahmen für den Gesamtbestand fraglich. Zudem ist noch unklar, ob über große Strecken umgesetzte Aale den Weg zu ihrem Laichplatz finden.

Beim Aal handelt es sich um einen einzigen, aus dem gesamten Verbreitungsgebiet resultierenden Gesamtbestand („panmiktischer Bestand“). Deshalb ist, insbesondere in einer so schwierigen Bestandssituation, nicht die Betrachtung einzelner Gewässer sondern die Ebene des Gesamtbestandes entscheidend. Hierfür fehlen momentan allerdings noch einige wissenschaftliche Grundlagen, sodass die Frage des Nutzens von Besatzmaßnahmen für den Bestand noch nicht endgültig beantwortet werden kann.

Ein Kompromiss wäre, wenn Besatz so erfolgt, dass möglichst viele der eingesetzten Aale wieder in ihr Laichgebiet wandern können. Also kein Besatz oberhalb von mehreren Wasserkraftwerken, die Verwendung gesunder Fische, die Einhaltung hygienischer Standards und bestimmter Besatzdichten. Auch sollte Besatz in der gegenwärtigen Bestandssituation nicht nur zur Unterstützung der Fischerei erfolgen.“

neue-partner

Die Nationalpark-Partnerschaft gewinnt immer mehr Anhänger. Dietmar Wienholdt, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft, Meeres- und Küstenschutz des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums, überreichte acht neuen Partnern im Roten Haubarg bei Witzwort die Anerkennungsurkunde. Insgesamt engagieren sich jetzt 125 Betriebe für den Nationalpark: Gemeinden und Tourismus-Organisationen, Beherbergungsbetriebe, Gaststätten und Reedereien, Watt- und Gästeführer, Naturschutzverbände, Reiseveranstalter und Bahnen. „Wir wollen unsere Gäste für den Nationalpark begeistern“, sagte Jürgen Reck vom Roten Haubarg, einer der neuen Nationalpark-Partner und Gastgeber bei der Urkundenübergabe. Weitere neue Partner sind die Norddeutsche Eisenbahngesellschaft Niebüll (NEG), der Reiseveranstalter nordsee radreisen in Husum, die Tourist- und Freizeitbetriebe Tönning und der Tourismusverein Witzwort/Uelvesbüll sowie der Friesenhof Pellworm, das Ferienhaus Sonnenberg in Koldenbüttel und das Gasthaus Naturköstliches in Osterhever.

Nationalparkwarte

Polly Rohwedder (86) ist Dithmarscher Fischer wie sein Vater und sein Urgroßvater. Er kann Geschichten erzählen. Von Seegras, Sandkorallen und Seemoos, die es früher in seinem Watt gab, von 100 Pfund Plattfischen, die er beim Buttpetten fing und kaum nach Hause schleppen konnte oder davon, dass er es nur einmal schaffte, die vom Ministerium vorgegebene Jahresquote zu erfüllen und 15 Seehunde zu schießen. Nach dem Verbot der Seehundjagd 1973 ließ er nie Zweifel aufkommen, dass diese Entscheidung richtig war. Im Gegenteil: Er gründete die Seehundstation in Friedrichskoog mit. Jahrzehntelang versorgte er die Vogelwärter auf Trischen mit essbaren und anderen Lebensmitteln. Obwohl kein Schnacker, war er für viele der Draht zur Außenwelt in Zeiten, als das Handy noch nicht erfunden war. Er bekam die Goldene Ehrennadel des Nationalparks, eine Ehre, die nur fünf Personen zuteil wurde. 13 Jahre war er Nationalparkwart – nun übernimmt sein Sohn Axel Rohwedder (61), selbst ehemaliger Fischer, diese Funktion. Die Versorgungsfahrten nach Trischen macht er bereits seit fünf Jahren. Sein Vater ist gelegentlich mit an Bord.

In Nordfriesland war Klaus Goldgräbe (71) seit 1999 Nationalparkwart. Der begeisterte Segler, dessen Boot im Hafen Bordelumsiel liegt, hat er sich intensiv mit dem Nationalpark beschäftigt und die Belange der Segler vertreten. Zusammen mit Rangern legt er mit seinem Schiff alljährlich die Zone-1-Bojen vor der Hamburger Hallig aus. Dies wird künftig Arnold Christiansen (55) übernehmen. Als zweiter Vorsitzender des Seglervereins Bordelumsiel kennt er sich gut im Nationalpark aus und möchte über das richtige Verhalten im Nationalpark informieren.

Insgesamt engagieren sich 15 ehrenamtliche Nationalparkwarte und unterstützen so die Arbeit der 15 hauptamtlichen Ranger und der Naturschutzverbände. Nationalparkwarte sind wichtige Mittler zwischen der Nationalparkverwaltung und der Bevölkerung.

Umweltpraktikanten

Vögel beobachten, Wattspiele für Kinder erfinden und Gäste informieren – das sind einige der Aufgaben der vier Commerzbank-Praktikantinnen und -Praktikanten im Nationalpark Wattenmeer. Statt Uni-Alltag arbeiten sie nun bis Ende September auf der Hamburger Hallig, im Multimar Wattforum und in der Nationalparkverwaltung in Tönning.

Benjamin Müller war bisher in der Welt von Steinbock, Murmeltier und Alpenenzian zuhause. Der 25-jährige Rosenheimer studiert Ökonomie, liebt das Sportklettern und freut sich auf die Vielfalt des Wattenmeers.

Der 27-jährigen Bremerin Jana Nitsch (3. von links) ist das Wattenmeer nicht vollends fremd, da sie sie in ihrem Studiums der Marinen Umweltwissenschaften bereits die ostfriesische Küste erforschte. Gemeinsam mit Benjamin unterstützt sie nun die Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung der Nationalparkverwaltung. Beide freuen sich besonders auf die Nationalparkferien, das Jugendlager auf der Hallig Langeneß.

Zur Untersuchung der Raumnutzung von Ringel- und Nonnengänsen hatte es Lehramtsstudentin Marie Schehl (23; 2.von links) aus dem tiefsten Pfälzer Wald bereits im März an die Nordsee gezogen. Das Praktikum auf der Hamburger Hallig rundet nun ihre wissenschaftliche Arbeit ab. Das spezielle Halligleben dort will sie auch den Besuchern nahe bringen.

Aus Duisburg reiste Katrin Unseld (25; rechts) in den Norden. Neben der Ausarbeitung pädagogischer Projekte wird die Ökologin im Multimar Wattforum Besucher zu Seepferdchen, Haien, Pottwal & Co. führen und mit Kindern im Schullabor in die Welt von Miesmuschel und Seestern eintauchen. Zumindest zentimeterweise.

Das „Praktikum für die Umwelt“ wird seit 21 Jahren von der Commerzbank finanziert und hat bisher über Tausend Studierenden einen Einblick in die Arbeit von Nationalparks, Biosphärenreservaten und Naturparks ermöglicht.

Großes Kino

Ein Naturfilm im Kino? Das muss großes Kino sein! Ab 9. Juni läuft „Die Nordsee von oben“ bundesweit. Ausschließlich aus der Vogelperspektive zeigt der Film die größte zusammenhängende Wattlandschaft der Welt: vom ostfriesischen Emden, die Elbe stromaufwärts bis Hamburg, weiter über die Halligen und Inseln endet die Fahrt am nördlichsten Punkt Deutschlands, auf Sylt.

Die außergewöhnlichen Bilder wurden mit der weltbesten Helikopterkamera gefilmt. Mit der Perspektive ändert sich alles. Unsere Heimat, die wir glauben zu kennen, ist aus der Luft nicht mehr dieselbe: die Farben erinnern an die Karibik, Salzwiesen an die Serengeti, jedes Bild ist ein Gemälde.

Die Premiere findet am 31. Mai im Abaton-Kino in Hamburg statt. Dann gibt es Vorpremieren in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen. Einen Vorgeschmack liefert der Kino-Trailer.

Watt'n Jubel

Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer feierte mit 500 Gästen bei einer dollen Feier in Cuxhaven sein 25. Jubiläum. Wie in Schleswig-Holstein ist aus ursprünglicher Skepsis mittlerweile eine breite Zustimmung geworden. Viele Anwohner sind stolz auf ihren Nationalpark. In der Kugelbakenhalle feierten die verschiedenen Interessengruppen gemeinsam – ein Bild, das bei der Nationalparkgründung nur besonders fantasiestarken Optimisten vorschweben mochte. Der NDR lieferte historische Fernsehdokumente, die lebendige Einblicke in die fachliche, aber auch emotionale Vielfalt der niedersächsischen Wattenmeer-Akteure gaben. In die Zukunft wiesen die Junior-Ranger: sie zeigten, wie eine „coole“ Wattführung abläuft.

Bücher

Sylt Sounds

Hans Jessel beschreitet mit seinem Earbook genannten Bildband „Sylt Sounds“ neue Wege. Noch nichts von einem Earbook gehört? Dann sollten Sie hineinlauschen. Die Fotografien von Hans Jessel sind kombiniert mit Sounds von der Insel, die die Stimmung des letzten Urlaubs zurückbringen oder Vorfreude auf eine geplante Reise dorthin wecken. Beispielsweise das Meeresrauschen am Strand, das Glockengeläut von St. Severin oder der Ruf der Gänse in der Tinnumer Salzwiese. Entsprechend der Jahreszeitengliederung führt Hans Jessel mit kurzen Texten in die Kapitel ein, Silke von Bremen hat ein Vorwort dazu geschrieben. Die Bilder beeindrucken in gewohnter Weise, die Klangbeispiele wirken auf mich nicht immer verstärkend auf die Bildaussage. Der letzte Pfiff fehlt dem Konzept, aber überzeugen Sie sich einfach selbst.

Martin Stock

Hans Jessel: Sylt Sounds, 120 Seiten, 3 CDs, 39,95 Euro, ISBN 978-3-940004-85-7

Watt für Entdecker

Was hat eine Qualle mit einer Mondrakete zu tun? Gibt es Fische ohne Gräten? Wem gehören die Mini-Surfbretter am Strand? Stranddetektive und Wattforscher ab 8 Jahren finden Antworten in dem Buch „Watt für Entdecker“. 20 Seiten erzählen zunächst vom Jungen Kalle und seinen Biologie gespickten Strandabenteuern. Dann folgen 70 Seiten mit noch mehr Fragen und Antworten. Fotos zeigen Schnecken, Muscheln und andere Meerestiere. Wo möglich, kommen Illustrationen von Kalle und anderen Wattbewohner hinzu. Texte, Fotos und Zeichnungen schaffen so eine verwirrende Vielfalt – ganz wie im Meer.

Ute Wilhelmsen, Susanne Wild, Martin Stock und Dirk Schories: Watt für Entdecker, 108 Seiten, 14,80 €, ISBN 978-3-529-05351-1.


Herausgeber

LKN-SH | Nationalparkverwaltung
Schlossgarten 1 | D-25832 Tönning

Redaktion: Dr. Hendrik Brunckhorst, Bernhard Dockhorn
Kontakt:
www.nationalpark-wattenmeer.de
www.weltnaturerbe-wattenmeer.de