Schleswig-Holstein

15.11.2011 |

November 2011

Moin. Diesmal nur Gutes: Die EU hat ein großes Gesetz zum Schutze der Meere gemacht (Kommentare zu konkreten Zielen sind erwünscht!), unsere in der Arktis brütenden Watvögel und Gänse hatten einen außergewöhnlichen Bruterfolg, die Häuser am Leuchtturm Westerhever werden schier gemacht und bei uns arbeiten drei Neue. Bleiben Sie uns gewogen. Ihre Nationalparkverwaltung

Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

1979 startete die EU (damals EWG) mit der Vogelschutzrichtlinie ein umfassendes, international verbindliches Regelwerk zum Schutz der Natur. 1992 folgte die Lebensräume sichernde Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, 2000 die auf Binnen- und Küstengewässer bezogene Wasserrahmenrichtlinie und 2008 die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Seit zwei Wochen ist die Öffentlichkeit aufgefordert, die jüngste Richtlinie mit auszugestalten. Experten sind überzeugt, dass sie große Wirkungen auf den Schutz der Meere entfalten kann. Dr. Bernd Scherer (58), bis 2003 Nationalparkchef, leitet das Referat Meeresschutz in Schleswig-Holsteins Umweltministerium und koordiniert die Umsetzung der Richtlinie.

„Seit mehr als 10 Jahren entwickelt die EU eine Meeresstrategie für Europa. Sie soll den Meeresschutz in Europa regeln und beinhaltet deshalb alles, was mit dem Meer zu tun hat, beispielsweise Fischerei, Schifffahrt, Tourismus, Nährstoffe und Müll. 2008 mündeten diese Bemühungen in die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, dem großen Gesetz der EU zum Schutz von Europas Meeren. Vor zwei Wochen wurde sie in deutsches Recht umgesetzt.

Die Mitgliedstaaten werden durch dieses Gesetz verpflichtet, bis zum Jahr 2020 den guten Umweltzustand ihrer Meere zu erhalten oder herzustellen. Die Richtlinie bezieht sich zwar in erster Linie auf die Meeresumwelt, aber da ein guter Zustand der Meere nur zu erreichen ist, wenn Schifffahrt, Landwirtschaft, Tourismus oder andere Nutzungen gut organisiert sind, wird sie hierauf zurückwirken. Es geht bei der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie also auch um die nachhaltige und damit ökosystemverträgliche Nutzung der Meeresumwelt.

Die Richtlinie hat mit ihren 6 Anhängen nur 21 Seiten. Das schaurig Schöne an ihr: sie lässt den Mitgliedsstaaten alle Handlungsoptionen und ist darin absolut unkonkret. Denn es steht im Wesentlichen nur drin, dass der „gute Zustand“ der Meere bis 2020 erreicht werden soll, nicht aber, wie dieser Zustand aussehen soll. Andererseits ist aber genau festgelegt, in welcher Schrittfolge die 27 Mitgliedstaaten diesen Zustand erreichen müssen. Dazu sind der EU Kommission bis zum 15. Juli 2012 zunächst drei Berichte zu liefern:

  • Eine Anfangsbewertung, die den heutigen Zustand der Meere beschreibt.
  • Eine allgemeine Beschreibung des „guten Umweltzustandes“.
  • Eine Festlegung von messbaren Zielen und Indikatoren, mit denen der „gute Umweltzustand“ erreicht werden kann.

Zu diesen Berichten gibt es jetzt für die Ostsee und Nordsee jeweils drei 60–150seitige Entwürfe, die der Bund und die Küstenländer gemeinsam erstellt haben. Sie werden seit der Präsentation bei einer Startveranstaltung in Hamburg am 14. Oktober öffentlich diskutiert. Verbände und Bürger sind eingeladen, sie bis zum 16. April 2012 zu kommentieren und so zu verbessern.

Wenn die Berichte im Juli 2012 auf dem Tisch liegen, wird man sicher feststellen, dass große Unterschiede zwischen den Ländern der EU bestehen, weil es ja noch keine Detailvorgaben gibt und die Zeit für eine gute Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten einfach zu kurz war. Es ist die Aufgabe der Kommission, die weiteren Arbeitsschritte zu harmonisieren.

Vieles wird sich aber bereits ähneln, denn Fachleute bemühen sich schon seit Jahren um einen einheitlichen Meeresschutz. Das trifft besonders im Wattenmeer zu, weil das Wattenmeer bereits durch die Vogelschutzrichtlinie, die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die Wasserrahmenrichtlinie sowie das Oslo-Paris-Meeresübereinkommen (OSPAR) und die Trilaterale Zusammenarbeit mit Dänemark und den Niederlanden abgedeckt ist. Zusätzliche Maßnahmen und Regelungen wird es deshalb im Wattenmeer vielleicht gar nicht geben, sondern das, was wir erreicht haben, wird vermutlich in die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie integriert werden können.

Denselben Prozess, der bei der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie nun ansteht, hat die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bereits durchlaufen. Mit ihr sollen Europas Binnen- und Küstengewässer bis 2015 in einen guten ökologischen Zustand gebracht werden. Ein Beispiel zeigt, wie eine derartige EU-Richtlinie konkret werden kann: Der gute Zustand der Gewässer wird unter anderem an Hand der Konzentration von Algen und Nährstoffen im Wasser beschrieben. Im nordfriesischen Wattenmeer ist er erreicht, wenn die Chlorophyll-a Konzentration unter dem Wert von 7,5 millionstel Gramm pro Liter Meerwasser liegt. Wegen der hohen Nährstoffeinträge liegen wir derzeit drüber. Für Schleswig-Holsteins Flüsse und die Elbe – sie tragen große Nährstoffmengen in die Nordsee – wurden daher Reduzierungsziele abgeleitet, die Nährstoffeinträge bis 2015 durch entsprechende Maßnahmen verringern sollen. Wie erfolgreich sie sind, werden die laufenden Überwachungsprogramme zeigen. Ob wir es europaweit schaffen, für alle in die Nordsee mündenden Flüsse bis 2015 die notwendigen Reduzierungsziele und umzusetzen, ist fraglich. Wir sind aber auf einem guten Weg.

Europas Meere schon bis 2020 in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen, halte ich für mehr als ehrgeizig, da bin ich nur sehr sehr zurückhaltend optimistisch. Aber die Welt geht dann nicht unter. Die Richtlinie ist in Zyklen gedacht und auch nach 2020 werden sich weitere Schutzbemühungen anschließen.“

Bruterfolg

20 Jahre sind vergangen, seit die Brutvögel in der Arktis so guten Bruterfolg wie in diesem Jahr hatten: auf den Halligen waren im Oktober die Hälfte der aus den nordsibirischen Brutgebieten zurückgekehrten Ringelgänse Jungvögel (ihnen fehlt der weiße Ring am Hals und sie haben weiße Streifen auf den Flügeln; das Bild zeigt eine Familie mit 5 Jungvögeln). Sogar Familien 6 und 7 jungen Gänsen wurden beobachtet.

Auch Knutts, Alpen- und Sichelstrandläufer, Pfuhlschnepfen, Kiebitzregenpfeifer und Raufußbussarde waren sehr erfolgreich bei der Jungenaufzucht. Da sie nicht im Familienverband ziehen, Alt- und Jungvögel zu unterschiedlichen Zeiten kommen oder sogar verschiedene Lebensräume aufsuchen, ist es bei ihnen allerdings methodisch schwieriger, den Jungvogelanteil zu ermitteln, weiß der Diplombiologe Klaus Günther von der Schutzstation Wattenmeer. Er koordiniert das Rastvogelmonitoring für die Nationalparkverwaltung, bei dem 50-60 Vogelzähler, vor allem die jungen Mitarbeiter der Naturschutzverbände und die Ranger der Nationalparkverwaltung, im 15-täglichen Rhythmus an etwa 45 Orten im Wattenmeer alle Wat- und Wasservögel in definierten Zählgebieten registrieren. Dabei werden regelmäßig bis zu einer Million Vögel gezählt.

Putz machen

Der Leuchtturm von Westerhever ist mit seinen beiden Nebengebäuden das markanteste Bauwerk des Nationalparks, so bekannt, dass die Abbildung sich erübrigt. Seine beiden Nebengebäude gehören unbedingt dazu, nicht nur visuell. Im Südhaus unterhält die Schutzstation Wattenmeer einen kleinen Informationsraum zum Nationalpark. Dort wohnen auch ihre das Gebiet betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesfreiwilligendienst und Freiwilligen Ökologischen Jahr. Das Nordhaus dient Seminaren als Gruppenunterkunft.

Ein architektonisches Schmuckstück waren die Gebäude zuletzt nicht mehr: der Putz blätterte, die Fenster wollten gestrichen werden und das Pflaster zwischen den Häusern war holprig. Der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz investiert nun 60.000 € und macht bis Mitte November alles schier. Die alten Pflastersteine werden künftig den historischen Stockenstieg ausbessern, der früher der einzige, sehr schmale Weg zum Leuchtturm war. „Eine tolle Baustelle“, meinen die Arbeiter, die jetzt den Putz machen. Im Frühjahr wird die Fassade weiß gestrichen.

Drei Neue

Die Tönninger Nationalparkverwaltung hat drei neue Mitarbeiter/innen:

Janine Artist vertritt in den kommenden 6 Monaten die Pressesprecherin Monika Hecker. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Anglistin hatte zuvor in einer großen Berliner PR Agentur für das “Studieren in Fernost“ geworben, eine Kampagne ostdeutscher Hochschulen, und war Nachrichtenredakteurin beim Radiosender Energy Bremen.

Angelika Bock war seit 1977 Schreibkraft in der früheren Landwirtschaftsbehörde in Heide. Ihr Arbeitsplatz im Eingangsbereich brachte ihr viele Kontakte zu Landwirten und machte ihr viel Freude. Allerdings entfiel durch die Einrichtung des Landesbetriebes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz im September der Heider Standort der früheren Landwirtschaftsbehörde. Seitdem betreut Angelika Bock in der Nationalparkverwaltung das Infotelefon, beantwortet Anfragen und versendet Informationsmaterial.

Timo Hehnke übernimmt die Aufgaben von Maren Bauer, die zum zweiten Mal Mutter wurde (Herzlichen Glückwunsch zu Marten Lennart!): Bewertungen, Stellungnahmen und Genehmigungen von Eingriffen in den Nationalpark. Nach dem Studium der Umweltwissenschaften in Lüneburg hatte er drei Jahre in einem Projekt des Bundesamtes für Naturschutz gearbeitet, in dem die in Deutschland vorkommenden naturnahen Buchenwälder ermittelt wurden.

Bücher

Halliglüüd

„In den Fünfzigern waren es noch 37 Leute auf Oland. Als Kind hatte man dann auch 37 Eltern, jeder wollte dich erziehen“ (Lorenz Kühn). „Bis zur Generation meiner Eltern trafen sich die Warftbewohner regelmäßig zum zweiten Frühstück … meist am späteren Vormittag. Dann gab es deftiges Essen wie gestovte Kartoffeln, saure Rippe oder Porrenfrikadellen. Danach saß man zum Klönschnack beisammen und gegen Mittag ging man wieder nach Hause“ (Maren Bendixen). Die Taufen fanden zuhause statt. Man wollte nicht mit einem Säugling so weit über die Hallig laufen, da hat man den Pastor ins Haus geholt“ (Britta Johannsen). – Drei Geschichten von Hunderten. Von Kinderspielen und Hausschlachtungen, Weihnachtsfeiern und Beerdigungen. Vom ganzen Leben eben. 47 Halliglüüd berichten, wie sie, ihre Eltern und Großeltern auf ihren zehn Halligen lebten und leben. Ein großes, schweres Familienalbum, dass einen oft anrührenden, fast intimen Zugang zum Halligleben ermöglicht. Texte und Bilder, Look and Feel harmonieren prächtig. Ein Teil des Halliglebens lässt sich gar miterleben: 38 Halligrezepte stehen gegen das kulinarische Landunter.

Christiane Jenemann (2011): Halliglüüd – erzähltes Leben. Mit Fotos von Martin Stock. Grünprint Verlag, ISBN 978-3-941156-13-5, 304 Seiten, 29,90 €.

Kunstband Katalog

Beim Spaziergang am Nationalpark lässt sich Naturgenuss mit Kunstgenuss verbinden: Das Kunstband am Nationalpark bereichert die Küste um 21 vollkommen überraschende Objekte, visuelle Stolpersteine in der ebenen Küstenlandschaft. Eine Skulptur, die wie ein Wächter am Deich steht, einsam zwischen Himmel und Meer, Watt und Koog, berührt und regt zum Nachdenken an. Die zum Teil tonnenschweren Skulpturen sind von der Natur inspiriert, vom Menschen geschaffen, von Wind und Sonne weiter bearbeitet. Kultur im Weltnaturerbe. Zu dem vor 10 Jahren von Wolfgang Schwennesen initiierten Land-Art-Projekt ist jetzt ein Katalog erschienen, der die Skulpturen zeigt und in bildliche Bezüge zum Nationalpark setzt. So hat das Kunstband noch Bestand, auch wenn einige der aus Naturmaterialien geschaffenen Objekte bereits hinfällig wurden.

Der bild- und farbreiche 50seitige Katalog Kunstband am Nationalpark ist in der Nationalparkverwaltung kostenlos erhältlich ( ).


Herausgeber

LKN-SH | Nationalparkverwaltung
Schlossgarten 1 | D-25832 Tönning

Redaktion: Dr. Hendrik Brunckhorst, Bernhard Dockhorn
Kontakt:
www.nationalpark-wattenmeer.de
www.weltnaturerbe-wattenmeer.de