Niedersachsen

09.07.2014 |

Biosphärenreservat gemeinsam gestalten

Auf großes Interesse stieß die Regionalkonferenz zur Weiterentwicklung des Biosphärenreservates Niedersächsisches Wattenmeer, zu der die Nationalpark- und Biosphärenreservatsverwaltung und das Niedersächsische Umweltministerium eingeladen hatten. Neben Umweltminister Stefan Wenzel, Frieslands Landrat Sven Ambrosy und 13 Bürgermeistern von Insel- und Küstengemeinden kamen Vertreter aus Tourismus, Wirtschaft, Naturschutz, Kultur, Umweltbildung, Landwirtschaft, Fischerei und Wissenschaft, insgesamt an die 90 Akteure, am Montag ins Jeversche Schloss, um Perspektiven zur nachhaltigen Entwicklung der Region zu diskutieren.

Das Niedersächsische Wattenmeer, Nationalpark und Teil des UNESCO-Weltnaturerbes, wurde 1992 auch als UNESCO-Biosphärenreservat anerkannt. UNESCO-Biosphärenreservate repräsentieren nicht nur einzigartige Naturlandschaften, sondern auch durch menschliche Nutzung geprägte Kulturlandschaften. Als Modellregionen für eine nachhaltige Entwicklung sollen sie die Lebensgrundlagen für die nachfolgenden Generationen sichern.

Der Nationalpark sichert bisher die Kern- und Pufferzone des Biosphärenreservats. Aber es fehlt eine räumlich definierte Entwicklungszone, in der menschliches Wirtschaften und Natur modellhaft vereinbart werden können. Hier sollen nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweisen entwickelt und umgesetzt werden.

Die Konferenz bot den Auftakt zur Ausgestaltung der Entwicklungszone des Biosphärenreservates – gemeinsam mit den Menschen und Institutionen in der gesamten Region. Aus diesem Anlass war der niedersächsische Umweltminister nach Jever gekommen, um die Position der Landesregierung in dieser Frage darzustellen und den Prozess zu offiziell starten: „Die Landesregierung hat sich die Förderung nachhaltiger Lebens- und Wirtschaftsweisen in allen Bereichen vorgenommen. Was hier am Weltnaturerbe Wattenmeer gemeinsam entwickelt werden soll, kann vorbildlich für das ganze Land sein.“ Wenzel machte deutlich, dass die Erweiterung des Biosphärenreservates nicht durch Verordnung „von oben“ durchgesetzt, sondern als Prozess von unten nach oben gemeinsam entwickelt werden soll. Hieran mitzuarbeiten, war der Kern der Einladung an die Region, die der Minister aussprach.

Peter Südbeck, Leiter des Nationalparks und Biosphärenreservats, benannte zahlreiche laufende Projekte zur nachhaltigen Entwicklung wie die Partnerinitiative, „Landschaft schmecken“ sowie zur Förderung regionaler Produkte aus unserer Wattenmeerregion, die nachhaltige Tourismusstrategie im Weltnaturerbegebiet, die Junior Ranger oder den Urlauberbus, der 2012 den bundesweiten „Fahrtziel Natur Award“ gewann. Er machte deutlich, wie durch das Biosphärenreservat schon bisher erhöhte Chancen zur Projektförderung bestanden und sieht dies auch für die Zukunft optimistisch.

Einen überaus positiven Erfahrungsbericht aus dem Biosphärengebiet Schwäbische Alb präsentierte Bürgermeister Mike Münzing aus Münsingen (Baden-Württemberg). „Anfangs haben sich viele über ein ‚Reservat’ lustig gemacht. Heute haben wir bundesweit die niedrigste Arbeitslosenquote und 19 Gemeinden stehen Schlange, um in die Biosphärenregion aufgenommen zu werden“. Es gehe aber nicht darum, „Förderprogrammen nachzurennen“, so Münzing, „regionales Wirtschaften schafft Entwicklungspotenziale“. „Global denken – Lokal handeln – Regionalisierung statt Globalisierung“ ist dabei der Leitgedanke.

Vorreiter an der niedersächsischen Wattenmeerküste ist die Gemeinde Sande, die bereits Biosphärenreservats-Partner ist. Für Bürgermeister Josef Wesselmann steht die Schärfung des Bewusstseins der Einheimischen und Gäste im Vordergrund. Mit der Dachmarke „Der Koyer“ sollen Betriebe zum Mitmachen ermuntert werden.

Christoph Muth, Geschäftsführer der Center Parcs Butjadingen (Nationalpark-Partner), stellte den Tourismus als Querschnittsbranche heraus und hob die Notwendigkeit gemeinsamen Wirkens hervor: „Es braucht große Partner aus anderen Branchen“.

Während die übrigen Referenten das Biosphärenreservat als große Chance begreifen, überwiegen in der Landwirtschaft noch die Vorbehalte. „Die Landwirte stehen zu der Idee einer funktionalen Entwicklungszone und auch zu neuen Projekten im Sinne der Nachhaltigkeit“, erklärte Erich Hinrichs, Präsident des landwirtschaftlichen Hauptvereins für Ostfriesland und Mitglied des Nationalpark-Beirates. Die geografische Festlegung einer Entwicklungszone und die Ausweisung neuer Schutzgebiete lehnen seine Kollegen nach seiner Überzeugung jedoch kategorisch ab. „Das würde ungeheure Risiken und minimale Chancen bringen“.

Jürgen Rahmel, Dezernatsleiter des Biosphärenreservates, versicherte: „Durch den Nationalpark ist die Natur bereits so gut geschützt, dass weitere formelle Auflagen nicht erforderlich sind, aber viele Möglichkeiten für eine freiwillige Kooperation bestehen“.  Darüber hinaus sieht er bereits jetzt die Küstenregion „auf Kurs Nachhaltigkeit“, wobei er die vielfältigen Nachhaltigkeitsprojekte in der gesamten Region hervorhob.

Der Langeooger Bürgermeister Uwe Garrels merkte an: „Die Inseln brauchen die Festlandsgemeinden zur Kooperation für regionale Produkte, da sie selber diese nicht produzieren können. Eine Region muss gemeinsam auftreten, um sich bemerkbar zu machen.“

Rahmel erläuterte abschließend das Rahmenkonzept für den weiteren Prozess, den eine Lenkungsgruppe aus Vertretern der wichtigsten Themenfelder begleiten wird. Nach dem nun erfolgten Auftakt werden sich thematische Arbeitsgruppen auf freiwilliger Basis finden. 2015 werden Inhalte, Leitbilder und Projektideen entwickelt, unter Einbeziehung der LEADER-Aktionsgruppen. 2016 werden auf diesen Grundlagen die politischen Entscheidungen zu einem Beitritt zur Entwicklungszone in den kommunalen Gremien gefällt. 2017 soll diese auf freiwilliger Basis entstandene Zone bei der UNESCO gemeinsam mit allen beteiligten Kommunen beantragt werden.

„Bereits in den vergangenen Jahren haben wir vielfältige Projekte zur Förderung der Nachhaltigkeit im Tourismus, zur Förderung regionaler Produkte oder bei Bildungsprogrammen umgesetzt“, sagte Nationalparkleiter Peter Südbeck. Sein Fazit: „Ich bin davon überzeugt, dass viele unserer Gemeinden diese Vorteile für sich erkunden und den nun anlaufenden Prozess aktiv mit gestalten werden.“

 

Das jetzige Biosphärenreservat umfasst eine Fläche von etwa 285.000 Hektar. Nach UNESCO-Vorgaben sollte die Entwicklungszone 50% der terrestrischen Fläche des Biosphärenreservates ausmachen, das entspricht 17.000 Hektar.