15.06.2023 | Gemeinsame Pressemitteilung der Nationalparkverwaltungen Niedersächsisches, Hamburgisches und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

Wattenmeer-Biosphärenreservate schaffen Raum für nachhaltige Entwicklung

Erweiterung der Entwicklungszonen von der UNESCO anerkannt

Am 14.06. hat der Internationale Koordinierungsrat des „Man and the Biosphere“-Programms der UNESCO in Paris den Beitritt von 12 Kommunen zur Biosphärenregion Niedersächsisches Wattenmeer, die Schaffung einer Entwicklungszone im Biosphärenreservat Hamburgisches Wattenmeer und den Beitritt der Insel Pellworm zum Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer anerkannt.

An der deutschen Nordseeküste ist die Natur des Wattenmeeres durch die Nationalparke Niedersachsens, Hamburgs und Schleswig-Holsteins geschützt. Gleichzeitig bilden hier drei UNESCO-Biosphärenreservate Modellregionen für nachhaltige Entwicklung, in denen umwelt- und sozialverträgliche Lebens- und Wirtschaftsweisen erprobt werden.

Gemeinden auf den Inseln und Halligen sowie auf dem angrenzenden Festland bietet ein Beitritt zur sogenannten Entwicklungszone der Biosphärenreservate die Chance, eine nachhaltige Entwicklung der Wattenmeerregion insgesamt voranzutreiben und dabei Synergieeffekte zu nutzen.

Mit einem solchen Beitritt findet eine jahrelange, intensive Vorbereitung mit den verschiedensten Akteurinnen und Akteuren und Interessenvertretungen in zahlreichen Projekten einen erfolgreichen Abschluss.

Jetzt wurde dieser Einsatz von den verschiedenen Regionen und Verwaltungen belohnt: Gestern (14.6.) hat der Internationale Koordinierungsrat des „Man and the Biosphere“-Programms der UNESCO in Paris den Beitritt von 12 Kommunen zur Biosphärenregion Niedersächsisches Wattenmeer, die Schaffung einer Entwicklungszone im Biosphärenreservat Hamburgisches Wattenmeer und den Beitritt der Insel Pellworm zum Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer anerkannt.

Niedersachsen

Die Biosphärenregion Niedersächsisches Wattenmeer ist erheblich gewachsen. Zwölf Kommunen – von West nach Ost: Jemgum, Norden, Hage, Spiekeroog, Schortens, Jever, Wilhelmshaven, Sande, Zetel, Nordenham, die Ortsteile Imsum und Langen der Stadt Geestland sowie Teilgebiete der Stadt Cuxhaven – bilden nun den Großteil der Entwicklungszone, die rund 700 km² umfasst (bislang 20 km²). Die Gesamtfläche der erweiterten Biosphärenregion Niedersächsisches Wattenmeer beträgt rund 4.136 km². Sie umfasst nun beispielhaft alle Landschaftstypen der Küstenregion.

Damit kommt ein umfassender, für Niedersachsen bislang einmaliger Beteiligungsprozess durch freiwillige kommunale Entscheidungen zu einem krönenden Abschluss. Seit 2019 waren die Gemeinden an der niedersächsischen Nordseeküste eingeladen, gemeinsam Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung der Region hinter den Deichen zu entwickeln. Seitdem haben Arbeitsgruppen Ziele, Maßnahmenideen und Projektvorschläge entwickelt und dabei auch auf bestehende örtliche Initiativen und Projekte zur Nachhaltigkeit zurückgreifen können. Die Arbeitsergebnisse sind in Kooperationsvereinbarungen zwischen den teilnehmenden Kommunen und der Nationalparkverwaltung eingeflossen. Letztere ist die koordinierende Verwaltungsstelle der Biosphärenregion.

„Die Auszeichnung durch die UNESCO ist eine weithin sichtbare Würdigung des langjährigen Engagements aller beteiligten Kommunen und weiteren Akteure für eine zukunftsfähige Gestaltung der niedersächsischen Wattenmeer-Region“, so Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. „Gleichzeitig ist damit der Startschuss für die weitere gemeinsame Projektarbeit in den Biosphärenkommunen gegeben: Bereits laufende Vorhaben werden mit noch mehr Schwung vorangetrieben und spannende neue Projektinitiativen kommen zur Umsetzung. Ein großer Schritt für die gesamte Region!“

„Unser Wattenmeer ist Anziehungspunkt nicht nur für viele Vögel und Hotspot der Artenvielfalt, sondern auch unverzichtbarer Naturraum, den wir schonend behandeln müssen. Die umfassende Beteiligung verschiedener Akteure und Interessenverbände mit zahlreichen Arbeitsgruppen und Diskussionsforen war entscheidend dafür, dass im Ergebnis zwölf Kommunen freiwillig der Entwicklungszone der Biosphärenregion beigetreten sind“, erklärte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer. „Die neue Entwicklungszone ist dadurch noch vielfältiger und bunter geworden mit von der Landwirtschaft geprägten Gemeinden aber auch urbanen Strukturen. So bietet sich die große Chance, vielfältige Ansätze nachhaltiger Entwicklung zu erproben. Das Land wird dies tatkräftig unterstützen.“

Hamburg

Im Biosphärenreservat Hamburgisches Wattenmeer wird die Zonierung leicht verändert. Bisher war die bewohnte und bewirtschaftete Insel Neuwerk Pflegezone, nun wird sie in Pflege- und Entwicklungszone unterteilt. Die acht Hofstellen und Wohngebäude der Neuwerker Betriebe sind ab sofort Entwicklungszone. Die neue Flächenaufteilung setzt das Entwicklungskonzept von Senat und Bürgerschaft für Neuwerk von 2020 fort. Darin werden unter anderem Erweiterungsbauten für Hofstellen und ein kleiner Neubau für Wohnungen vorgeschlagen. Hauptthemen der neuen Entwicklungszone sind regenerative Energie, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität beim Bau.

Die Ziele für die Pflegezone und damit den Großteil Neuwerks liegen weiterhin vor allem im Schutz der brütenden Wiesenvögel und der Rastplätze für Zugvögel. Außerdem geht es um die nachhaltige Pflege der jahrhundertealten Kulturlandschaft durch landwirtschaftliche Nutzung.

Jens Kerstan, Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft: „Für eine Großstadt wie Hamburg ist es einmalig, eine Insel wie Neuwerk zu ihrem Stadtgebiet zählen zu dürfen. Neuwerk ist ein einzigartiges Naturjuwel, das mir besonders am Herzen liegt. Die Menschen auf der Insel brauchen gerade jetzt eine neue Perspektive, um die kleine Insel-Gemeinschaft zu stärken. Wir hoffen, dass wir mit der neuen Insel-Zonierung dabei helfen können und werden zusammen mit dem zuständigen Bezirksamt Hamburg-Mitte den Betrieben auf Neuwerk mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

Christian Griebel, Inselsprecher Neuwerk: „Die Einrichtung einer Entwicklungszone auf Neuwerk kommt gerade richtig. Bei der Umsetzung von Plänen brauchen wir aber unbedingt Hilfe und hoffen auf Unterstützung durch das Biosphärenreservat und den zuständigen Bezirk in Hamburg.“

Schleswig-Holstein

Das Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer wurde vor 20 Jahren bereits um die fünf bewohnten Halligen erweitert. Nach diesem erfolgreichen Vorbild hat auch die Insel Pellworm einen Beitritt diskutiert und sich systematisch auf diesen mit viel Engagement und nachhaltigen Projekten vorbereitet. Alle Insulanerinnen und Insulaner wurden – ganz im Sinne des UNESCO-Programms – zum aktiven Mitgestalten eingeladen und haben sich im Gemeinschaftsprojekt eingebracht. Die auf Pellworm lebenden und wirtschaftenden Menschen haben das Ziel, ihren einzigartigen Lebensraum im Wattenmeer so zu erhalten und nachhaltig zu entwickeln, dass es für sie und kommende Generationen angesichts des Klimawandels sicher und lebenswert ist.

Mehr als 20 verschiedene Projekte decken alle Facetten für eine nachhaltige Entwicklung ab und repräsentieren eindrücklich das große Potential der Insel, die Vielfalt des Pellwormer Lebens sowie die starke Verbundenheit der Einheimischen mit ihrer Heimat. Beispielhaft dafür ist die Inseldachmarke Pellworm, die für den Tourismus und auch für lokal erzeugte Produkte und Dienstleistungen entwickelt wird, die Runden Tische „Naturschutz“ und „Landwirtschaft-Mensch-Natur“ sowie Projekte zum Erhalt der biologischen Vielfalt (zum Beispiel „Insektenfreundliche Insel“ und „Sterneninsel Pellworm“).

Landesregierung und verschiedene Ministerien haben diese Entwicklung und den Wunsch der Gemeinde Pellworm auf Antragstellung der Erweiterung der Entwicklungszone stets positiv begleitet. Damit vergrößert sich die Entwicklungszone um mehr als das Doppelte. Bisher umfasste es die Biosphäre Halligen mit 21 km², jetzt kommt Pellworm mit zusätzlichen 37 km² hinzu.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt beglückwünschte die Insel: „Biosphärenreservate leben immer vom Engagement der Bevölkerung vor Ort. Deshalb freue ich mich sehr, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Pellworm das Vorhaben, Teil des Biosphärenreservats zu werden, eigeninitiativ vorangetrieben haben. Die Herausforderungen, vor denen die Inselgemeinde angesichts des steigenden Meeresspiegels und des demografischen Wandels steht, sind groß. Es ist für uns als Land von großer Bedeutung, dass von der Insel wichtige Impulse kommen, um die Zukunft nachhaltig zu gestalten. Für dieses Engagement wurde die Gemeinde Pellworm bereits letzte Woche mit dem zweiten Platz des Nachhaltigkeitspreises Schleswig-Holstein ausgezeichnet.“

Kirsten Boley-Fleet, stellvertretende Leiterin der Nationalpark- und Biosphärenreservatsverwaltung schätzt vor allem die Zusammenarbeit und das große Interesse der Insel und der Halligen an dieser Entwicklung. „Die Anerkennung von Pellworm als Teil der Entwicklungszone der Biosphäre ist ein ganz wichtiger Meilenstein. Wir freuen uns mit der Inselgemeinschaft – herzlichen Dank allen daran Beteiligten.“

Astrid Korth, Bürgermeisterin der Gemeinde Pellworm: „Wir freuen uns riesig über die Anerkennung Pellworms als Teil des Biosphärenreservats auf allerhöchster internationaler Ebene. Wir werden weiterhin an der nachhaltigen Entwicklung aller Lebensbereiche auf unserer Insel arbeiten, noch mehr Schwung in unsere insgesamt über 20 Projekte bringen und auch weitere entwickeln.“ Geplant sei, dieses herausragende Ereignis im Rahmen der Überreichung der UNESCO-Anerkennungsurkunde im Herbst in der Region zu feiern.

UNESCO-Biosphärenreservate

UNESCO-Biosphärenreservate sind weltweite Modellregionen, in der ökologische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen nachhaltig und im Einklang miteinander ablaufen. Es geht nicht allein um Naturschutz, sondern in gleichem Maße um die hier lebende Bevölkerung und ihre wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven – in bestmöglicher Übereinstimmung mit Landschaft, Natur und Klimaschutz.

UNESCO-Biosphärenreservate sind in drei Zonen unterteilt: In der Kernzone hat der Naturschutz Vorrang, in der Pflegezone ist eine umweltverträgliche, wirtschaftliche Nutzung möglich (z. B. Tourismus oder Fischerei). Kern- und Pufferzone sind durch die Nationalparke vollständig abgedeckt. Die dritte Zone, die Entwicklungszone, wird dagegen ausdrücklich als Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum der Bevölkerung verstanden und soll dabei möglichst nachhaltiges Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur beispielhaft entwickeln und öffentlich bekannt machen.

Biosphärenreservate werden im Rahmen eines umfangreichen Melde- und Prüfverfahrens von der UNESCO anerkannt und in einem zehnjährigen Turnus hinsichtlich ihrer Entwicklung überprüft.

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