Niedersachsen

15.06.2023 |

Neue Regeln für Wassersport und Schifffahrt im Nationalpark

„Weltnaturerbe“ und „Bundeswasserstraße“ – die Wattenmeer-Nationalparke haben den Schutz der Natur dieses Ökosystems zu gewährleisten und unterliegen zugleich Anforderungen als Verkehrsgebiet für die Schifffahrt und Nutzungsinteressen des Wassersports. Das rechtliche Lenkungsinstrument dafür ist die Nordsee-Befahrensverordnung, eine bundeseinheitliche Regelung des Bundesverkehrsministeriums. Die bisher geltende Fassung von 1992/1995 wurde nun durch eine Neufassung ersetzt – eine überfällige Novellierung mit zähem Werdegang.

Ein Segelboot im Wattenmeer

Bei Wasserbedeckung ist das Wattenmeer auch eine Bundeswasserstraße und wird von einer Vielzahl von Wasserfahrzeugen genutzt. Mit Rücksicht auf die Schutzzwecke des Nationalparks erfordert dies besondere Regeln. © NLPV

Die neue Rechtsverordnung gilt mit Wirkung ab dem 28. April 2023.

Erste Anpassungsbemühungen erfolgten bereits direkt nach den Gebietserweiterungen der drei Wattenmeer-Nationalparke von 1999/2001. In intensiven Erörterungsrunden mit Wassersport- und Naturschutzverbänden sowie Behörden wurden zahlreiche Anpassungen erarbeitet, die dann 2006 dem Bundesverkehrsministerium als Ländervorschlag zu einer Novellierung übermittelt wurden. Dort sah man gleichwohl das Bedürfnis nach weiterem Austausch mit allen Beteiligten und wies das Begehren zurück. Erst ab 2015 erfolgte sodann ein neuer Anlauf der Länder, auf Grundlage der vorliegenden Überarbeitungsvorschläge erfolgten durch die Nationalparkverwaltungen wiederum umfassende Vorabstimmungen insbesondere mit Wassersportvereinen und -verbänden. Hieraus entstand dann ein neuerlicher „Länderantrag“ auf Novellierung, der im Mai 2017 vorgelegt wurde. Es brauchte nicht nur noch etwas Zeit, bis das Bundesverkehrsministerium im August 2021 mit einem sogenannten Referentenentwurf das Novellierungsverfahren formal eröffnete. Die Neufassung sollte die wesentlichen Defizite der vormaligen Verordnung beseitigen: Ihr Geltungsbereich war den lange schon vergrößerten Nationalparken anzugleichen, die natürliche Dynamik des Wattenmeers mit sich verlagernden Prielen und Sandbänken erforderte eine Anpassung von Lage und Zuschnitt besonderer Schutzbereiche für Seehunde, Kegelrobben und Vögel. Auch bestand ein Lenkungsbedürfnis für neuere Aktivitäten des Freizeitsports wie das Kitesurfen. Mit der nun in Kraft gesetzten Neufassung haben rund zwanzigjährige Vorarbeiten ihren Abschluss gefunden – wahrlich News für einen Newsletter!

Seekarten auf einem Besprechungstisch

Arbeitsatmosphäre bei Erörterungsgesprächen zwischen dem Bundesverkehrsministerium und der Nationalparkverwaltung: Jede Stellungnahme wurde diskutiert und naturschutzfachlich bewertet. Abwägungsentscheidungen traf das Bundesverkehrsministerium im Einvernehmen mit dem Bundesumweltministerium. © N. Grabow/NLPV

Die wesentlichen Lenkungsinstrumente sind örtliche Beschränkungen und Geschwindigkeitsvorgaben:

  • Als „Besondere Schutzgebiete“ sind bestimmte Bereiche ausgewiesen, die intensiv von Seehunden und Kegelrobben oder als Nahrungs- oder Mausergebiete von Vögeln genutzt werden bzw. unmittelbar an wichtige Brutgebiete angrenzen; einige sind durch Seegrasvorkommen geprägt. Besondere Schutzgebiete – vormals benannt als „Robben- bzw. Vogelschutzgebiet“ – dürfen während ihrer jeweiligen Schutzzeiten (ganzjährig oder vom 15.04. bis 01.10. eines Jahres) grundsätzlich nur innerhalb der gekennzeichneten Fahrwasser oder auf einzelnen bestimmten Routen befahren werden. Das Trockenfallenlassen ist dort grundsätzlich untersagt. Ausgenommen von solchen örtlichen Beschränkungen sind insbesondere Behördenfahrzeuge, Fahrzeuge bei Seenot-Rettungseinsätzen sowie Fischereifahrzeuge.
  • Neu eingeführt wird das Instrument der „Allgemeinen Schutzgebiete“, in denen das Trockenfallenlassen nur an ausgewiesenen Stellen zulässig ist. Allgemeine Schutzgebiete entsprechen den Zonen 1 (Ruhezone) der Nationalparke und ersetzen die bisher dort geltende sog. 3-Stunden-Regelung. Danach durften diese Bereiche außerhalb der Fahrwasser überhaupt nur drei Stunden vor bis drei Stunden nach Hochwasser befahren werden; das hatte sich als unpraktikabel erwiesen.
  • Zudem gelten wie bisher Geschwindigkeitsbeschränkungen. Im inneren Bereich zwischen dem Festland und den Inseln gilt die Regelgeschwindigkeit von maximal 12 kn (bei Fahrt über Grund; 1 kn = 1,852 km/h); in den Fahrwassern darf bis zu 16 kn gefahren werden. Dies gilt auch für sogenannte Wassertaxis oder Expressfähren, die viele Inseln mit dem Festland verbinden. Lediglich einzelne, schon vor Erlass der ursprünglichen Verordnung eingesetzte Schiffe dürfen im Fahrwasser bis zu 24 kn fahren. Nördlich der Inselkette gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 16 kn; in wenigen Korridoren (in Niedersachsen in den Fahrwassern Dovetief und Schluchter) dürfen gewerblich eingesetzte Fahrzeuge bis zu 24 kn fahren. Für Behördenfahrzeuge sowie zu Seenot-Rettungseinsätzen gelten Ausnahmen. Zudem gelten die Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht innerhalb des Verkehrstrennungsgebiets „Terschelling German Bight“, im Fahrwasser der Jade sowie im
  • Einige Wasserfahrzeuge sind typischerweise mit einem besonderen Störungspotenzial verbunden. Sie üben für Meeressäuger oder Vögel schwer einschätzbare und nicht vorhersehbare Fahrbewegungen aus, sind besonders laut oder mit einem Drachen verbunden, der eine eigene Scheuchwirkung aufweisen kann. Zum Kitesurfen sind daher bestimmte Bereiche ausgewiesen mit teilweise weiteren Vorgaben wie z. B. einer Nutzungsbeschränkung nur um Hochwasser. Die 30 Spots in Niedersachsen haben eine Gesamtfläche von über 3.000 ha. Dies ist gegenüber der vormals auf landesrechtlicher Grundlage bestimmten Flächenkulisse praktisch eine Verdopplung. Untersagt sind der Betrieb von Wassersportgeräten wie Jet-Skis (außer als Begleitfahrzeug zu Rettungszwecken) sowie Wasserfahrzeuge, die Wasserski oder sonstige Schwimmkörper bzw. Drachen ziehen.

Diese komplizierten Regelungen sollen Interessen der gewerblichen Schifffahrt und des Freizeitverkehrs mit den Schutzansprüchen der Nationalparke in einen angemessenen Ausgleich bringen. Sie sind den demnächst überarbeiteten Seekarten zu entnehmen und in Kürze auch unter https://www.nationalpark-wattenmeer.de näher dargestellt. Einen ersten Überblick liefert eine Kartendarstellung zur Verordnung: