Seit Mitte April 2023 sind in West- und Mitteleuropa insbesondere Brutkolonien von Lachmöwen von Vogelgrippeausbrüchen betroffen. Anfang Mai 2023 gab es an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins den ersten Nachweis bei einer Lachmöwe.
Hintergrund Vogelgrippe
Die hochpathogene aviäre Influenza, auch Geflügelpest oder Vogelgrippe genannt, ist eine durch Viren verursachte, anzeige- und bekämpfungspflichtige Tierseuche, die bei gehaltenen Vögeln und Wildvögeln nach teilweise schweren Erkrankungserscheinungen sehr schnell zu massenhaftem Verenden führen kann.
Bereits in den vergangenen drei Wintern gab es in Schleswig-Holstein große Aus-brüche der Vogelgrippe bei Wildvögeln und in Geflügelhaltungen. An der Nordseeküste waren davon besonders hier rastende Gänse- und Entenarten wie Nonnengänse und Pfeifenten betroffen. Im Dezember 2020 kam es zudem zu einem Massensterben von Knutts. Über längere Zeiträume wurden deshalb landesweit sogenannte Biosicherheitsmaßnahmen durch das schleswig-holsteinische Umweltministerium und in einigen Kreisen Stallpflicht angeordnet. Die Übertragung auf weitere Geflügelhaltungen sollte so verhindert werden.
Brandseeschwalben und Basstölpel
Im Sommer 2022 trat die Vogelgrippe erstmals auch während der Brutzeit im Som-mer auf. Besonders betroffen waren Brandseeschwalben und Basstölpel.
Es wurden an vielen Stellen der schleswig-holsteinischen Westküste, besonders an den Stränden von Sylt, Amrum und Föhr, tote Basstölpel gefunden, die an der Vogelgrippe erkrankt waren. Von der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holstein wurden 347 tote oder moribunde Basstölpel erfasst. Die Herkunft der toten Basstölpel konnte nicht eindeutig ermittelt werden. Es wurden auch in der Kolonie auf Helgo-land sehr starke Verluste durch Vogelgrippe festgestellt; die höchsten Zahlen wurden aber aus Großbritannien (z.B. vom Bass Rock) gemeldet.
Im gesamten deutschen Wattenmeer (unter anderem Minsener Oog in Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und Neuwerk im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer) waren außerdem Brandseeschwalben deutlich betroffen. Im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer traten Anfang Juni 2022 die ersten toten Brandseeschwalben auf. In den Brutkolonien auf der Hallig Norderoog wurden knapp 650 tote Altvögel und rund 2.900 tote Jungvögel registriert; 163 Totfunde gab es im übrigen Nationalparkgebiet außerhalb der Brutkolonien. Die an mehreren Brandseeschwalben-Kadavern genommenen Proben zeigten, dass die Tiere fast ausnahmslos an der Vogelgrippe erkrankt waren.
Einziges Brutvorkommen im Land
Die Norderooger Kolonien mit etwa 5.400 Brutpaaren (Stand 2022) bilden das einzige Brutvorkommen in Schleswig-Holstein und gehören zu den größten in Europa. Die Art gilt daher nach den Roten Listen in Schleswig-Holstein und in Deutschland als vom Aussterben bedroht. Die Sterberate adulter Brandseeschwalben lag auf Norderoog deutlich niedriger als in den ebenfalls von Vogelgrippe betroffenen Kolonien in Niedersachsen, den Niederlanden sowie in Belgien und Nordfrankreich.
Nationalparkverwaltung beobachtet Lage
Aufgrund der Erfahrungen aus der Brutzeit 2022 und dem aktuell hohen Risiko von Ausbrüchen beobachtet die Nationalparkverwaltung die Lage weiterhin aufmerksam. Die Nationalpark-Ranger*innen nehmen von verendeten Vögeln Tupferproben, um eine Untersuchung auf Vogelgrippe-Viren oder andere Erkrankungen zu veranlassen. Bei Bedarf werden Totvögel unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen eingesammelt und fachgerecht entsorgt.