Schleswig-Holstein

Die Magie des Vogelzugs

Der Vogelzug ist in vollem Gange. Aber woher weiß ein Vogel eigentlich, wann er wohin ziehen muss? Um es gleich vorweg zu nehmen: Es gibt keine einheitliche Antwort für alle Vögel. Je nachdem, ob du als Pfuhlschnepfe oder als Ringelgans geschlüpft bist, funktioniert es nach bisherigem Stand der Forschung ganz unterschiedlich.

Bei Ringelgänsen – einer der drei April-Monatsvögel – spielt das Familienleben eine große Rolle. Die kleinen Gössel wachsen im Brutgebiet in Sibirien im Familienverband heran und während sie noch nicht fliegen können, weil ihre Federn erst wachsen müssen, sind auch die Eltern flugunfähig, weil sie ihre Schwungfedern mausern. Sind alle (wieder) flugbereit, geht es gemeinsam ins Überwinterungsgebiet.

Von den Eltern gelernt …

Die Jungvögel lernen sowohl den Zeitpunkt des Abflugs als auch die Strecke von ihren Eltern. Bis ins nächste Frühjahr kann man in den großen Gänseschwärmen die Familien gut an ihrer räumlichen Nähe zueinander erkennen. Ebenso ist es bei anderen Gänsearten und auch den Schwänen.

Bei vielen Watvögeln wie etwa der Pfuhlschnepfe müssen die Jungvögel ihren Weg dagegen ganz allein finden. Nach dem Brutgeschäft und der Aufzucht der Jungen verlassen die Altvögel das Brutgebiet einige Wochen vor den Jungvögeln, um nach Süden zu ziehen. Das bedeutet, dass die Jungvögel nicht von den Eltern lernen können, wann es Zeit ist, sich nach Süden aufzumachen oder wohin die Reise geht.

… oder genetisch vorgegeben

Es wird davon ausgegangen, dass diese Informationen genetisch vorgegeben sind, denn die Jungvögel zeigen eine faszinierende Orientierungsleistung: Sie fliegen Tausende Kilometer an einen Ort, den sie noch nie gesehen haben. Ein innerer Kompass und innere Uhr geben Richtung und Zeit vor.

Interessant ist auch die Beobachtung, dass zum Beispiel Säbelschnäbler immer wieder denselben Ort zur Überwinterung aufsuchen. Fliegt ein Säbelschnäbler in seinem ersten Winter nur bis Westfrankreich, weil es sich dort in einem milden Winter gut aushalten lässt, wird er das in den Folgejahren auch tun, bis ihn Kälte eventuell weiter nach Süden drängt. Wählt ein Säbelschnäbler aber in seinem ersten Winter den Senegal, weil es weiter nördlich gerade zu kalt ist, dann wird er auch in den Folgejahren bis Afrika ziehen, auch wenn der Winter in Westfrankreich mild ist.

Käfigversuche mit Singvögeln

Einige Informationen für den Vogelzug scheinen also tatsächlich fest in den Genen verankert zu sein, während andere Entscheidungen erlernt werden müssen oder angepasst werden können. Weltweit versuchen Forschende, dem Geheimnis des Vogelzugs und seiner genetischen Vorgaben auf die Spur zu kommen. Bei Käfigversuchen mit Singvögeln wie der Mönchsgrasmücke konnte bewiesen werden, dass die Jungvögel auch ohne Kontakt zu den Eltern das typische Zugverhalten zeigen.

Darüber hinaus zeigten Experimente, dass Jungvögel die genetischen Informationen beider Eltern verarbeiten. Bei den Mönchsgrasmücken haben die einzelnen Populationen verschiedene Zugwege. Die Nachkommen zweier Eltern mit unterschiedlichen Zugwegen wählen später eine mittlere Strecke.

Noch ein weiter Forschungsweg

Aber welche Gene wie genau das komplexe Verhalten des Vogelzugs bestimmen, ist noch weitgehend unbekannt. Auch wenn es immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema gibt, stehen wir noch am Anfang, die Magie des weltweiten Vogelzugs zu verstehen.

Silke Ahlborn

Pfuhlschnepfen an Land
Pfuhlschnepfen

© Stock / LKN.SH

Säbelschnäbler

© Wiedemann / LKN.SH