Dominic, du bist im MOIN mitverantwortlich für das Projekt „Dauertelemetrie Austernfischerküken“ im Beltringharder Koog. Was ist Ziel des Vorhabens und wie muss man sich die Arbeit konkret vorstellen?
Dominic: Die Bestände des Austernfischers im Wattenmeer haben sich seit Mitte der 1990er Jahre halbiert. In Schleswig-Holstein sind die Rückgänge besonders an der Festlandsküste stark ausgeprägt, im Beltringharder Koog etwa wurden selbst in Jahren mit gutem Schlupferfolg nur wenige Küken flügge. Mit dem Projekt wollen wir besser verstehen, wodurch die Küken gefährdet sind und welche Lebensräume und Strukturen sie brauchen, um daraus Schutzempfehlungen abzuleiten.
Für unser Projekt werden Austernfischerküken mit nur 0,7 Gramm leichten Radiosendern ausgestattet, die mit einem Spezialkleber auf dem Rücken befestigt werden. Über fünf Empfangsstationen kann der Standort der Küken dann alle paar Sekunden per Kreuzpeilung der verschiedenen Antennen automatisiert ermittelt werden. Wir sehen dadurch, wo sie sich am meisten aufhalten und wann und unter welchen Umständen es zu Verlusten kommt.
Zu den Gründen der Bestandsrückgänge bei den Austernfischern gibt es bisher nur Vermutungen. Welche Faktoren könnten deiner Meinung nach eine Rolle spielen?
Dominic: Ich denke, hier kommen mehrere Faktoren zusammen. In den Vorländern kommt es immer häufiger zu Überflutungen der Brutplätze von Küstenvögeln. Die Zunahme dieser sogenannten Heu- oder Kükenfluten zur Brutzeit hat etwas mit dem Klimawandel und dem Meeresspiegelanstieg zu tun. Da Austernfischer besonders niedrig im Vorland brüten, sind ihre Eier und Küken besonders gefährdet.
Daneben zeigen unter anderem unsere Untersuchungen mit Nestkameras, dass ein großer Teil der Gelege an der Festlandsküste durch größere Bodenprädatoren wie Fuchs, Marderhund und Dachs verlorengeht. Auf den Halligen führt etwa die Schutzstation Wattenmeer vergleichbare Untersuchungen durch und konnte Wanderratten als großes Problem identifizieren. Andere Faktoren wie etwa ein möglicher Nahrungsmangel für Jung- oder Altvögel, sind bisher nur unzureichend erforscht. …
Welche verlässlichen Erkenntnisse liegen bisher vor – vielleicht auch aus anderen Forschungsvorhaben?
Dominic: Der Einfluss des Klimawandels und der Gelegeverluste durch Beutegreifer sind sehr eindeutig. Das zeigen publizierte Studien, aber auch unsere laufenden Untersuchungen an anderen Küstenvögeln wie den Säbelschnäblern oder den See- und Sandregenpfeifern.
Wir haben begonnen, nicht nur die Situation dieser Arten in den Brutgebieten im Wattenmeer in den Blick zu nehmen, sondern den gesamten Jahreszyklus mit dem Zugweg und den Überwinterungsgebieten zu betrachten. Wir führen aktuell eine der ersten Studien weltweit durch, in denen die nur etwa starengroßen Regenpfeifer mit ein Gramm leichten GPS-Rucksäcken ausgestattet werden.
Unsere bisherigen Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Wir konnten beispielsweise bisher unbekannte Winterquartiere unserer Seeregenpfeifer an Küsten und Flüssen in Westafrika entdecken. Allerdings zeigen die Daten auch, dass die Vögel in allen Phasen des Jahreszyklus potenziellen Gefahren ausgesetzt sind. Diese reichen vom Klimawandel über den Siedlungs- und Flughafenbau bis hin zur Wasserentnahme für die Landwirtschaft in Südeuropa.