Monatsvogel im Juni

Austernfischer

Haematopus ostralegus

Der Austernfischer ist sicherlich einer der auffälligsten und auch bekanntesten Wattenmeervögel. Mit seinem schwarz-weißen Gefieder und dem orange-roten Schnabel ist er unverwechselbar. Diese Farben brachten ihm den Spitznamen „Halligstorch“ ein. Und obwohl er gefühlt immer und überall zu sehen oder, besser, zu hören ist, ist sein Bestand gefährdet.

Sein wissenschaftlicher Name beschreibt – fast – alles: Haematopus (griechisch) bedeutet „blutroter Fuß“ und ostralegus kann mit „Austernsammler“ übersetzt werden. Allerdings sammelt er keine Austern, sie gehören nicht zu seinem Nahrungsspektrum. Auster steht hier sinnbildlich für Muscheln, die er sehr wohl frisst.

Austernfischer kommen in verschiedenen Populationen im Wattenmeer vor, das heißt es sind das ganze Jahr über Austernfischer zu beobachten, aber nicht immer dieselben Vögel. Einige brüten weiter in Norden, zum Beispiel in Nord-Skandinavien und überwintern im Wattenmeer. Austernfischer, die bei uns brüten, verbringen hier zumeist das ganze Jahr und weichen nur bei starken Kälteeinbrüchen im Winter einige hundert Kilometer nach Südwest aus.

Nachwachsende Schnabelschicht

Der lange rote Schnabel des Austernfischers kann auf verschiedenen Arten genutzt werden, mal als Pinzette, um im Watt nach Würmern zu suchen, mal um mit ihm Muschelschalen zu öffnen, in dem er den Schließmuskel der Muscheln durchtrennt. Manche Austernfischer bevorzugen auch die eher grobe Herangehensweise des Hämmerns, dann ist ihre Schnabelspitze vorn etwas stumpfer. Die äußere Schicht des Schnabels wächst nach und passt sich an die bevorzugte Technik der Nahrungssuche an.

Im Frühjahr während der Balzzeit sind Austernfischer nicht zu überhören. Dann kommt es zu lautstarken Konzerten, bei denen die Vögel in dichten, kleinen Gruppen mit nach unten gerichteten Schnäbeln über die Wiesen laufen und dabei ausdauernd „kip kip kip-kip-kip-…“ rufen.

Brutplatztreue

Im Brutgeschäft sind vor allem die wattnahen Brutplätze sehr begehrt, da der Weg zur Nahrung kurz ist. Hat ein Austernfischer seinen Brutplatz gefunden, kehrt er immer an ihn zurück und verteidigt diesen sein Leben lang. Das derzeit bekannte Höchstalter des Austernfischers liegt bei 43 Jahren und sechs Monaten.

Der Brutbestand der Austernfischer im Wattenmeer hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. Mögliche Gründe dafür sind unter anderem hoher Kükenverlust durch Nesträuber wie Fuchs und Marderhund sowie häufigere Überflutungen der Brutplätze. Der Austernfischer legt seine drei bis vier Eier in eine Bodenmulde. Fressfeinde wie Füchse, Marder und große Möwen haben oft ein leichtes Spiel.

Die Küken des Austernfischers müssen im Gegensatz zu anderen Watvogelküken nach dem Schlüpfen noch nicht ausschließlich selbstständig Futter suchen, da sie auch von den Altvögeln mit Futter versorgt werden. Aus diesem Grunde sind Bruten an ungewöhnliches Orten, wie auf Flachdächern durchaus erfolgreich.

14.000 Brutpaare in Schleswig-Holstein

Die rund 14.000 Brutpaare in Schleswig-Holstein sind sehr bedeutend, da sie etwa 48 Prozent des deutschen sowie vier Prozent des weltweiten Brutbestandes ausmachen. Die schleswig-holsteinische Wattenmeerregion trägt damit eine internationale Verantwortung zum Schutz und Erhalt des Austernfischers. Daher wird seit einigen Jahren intensiv untersucht, welche Faktoren den Bruterfolg und damit die Bestände des Austernfischers beeinflussen und wie dieser Charaktervogel des Wattenmeers geschützt werden kann.

Quellen zu den Monatsvögeln (Auswahl)

„Der Kosmos Vogelführer“, Lars Svensson (aktualisierte Ausgabe von 2018)

„Das große Buch vom Vogelzug: Eine umfassende Gesamtdarstellung“, Franz Bairlein (AULA, 2022)

„Atlas des Vogelzugs: Ringfunde deutscher Brut- und Gastvögel“, Franz Bairlein et al. (AULA, 2014)

„Das große Buch der Gänse: Von sozialen Wesen und rastlosen Wanderern“, Helmut Kruckenberg et al. (2022)

„Atlas Deutscher Brutvogelarten“, Gedeon et al. (2014)

„Vogelwelt Schleswig-Holsteins Bd. 7: Zweiter Brutvogelatlas“, Koop & Berndt (2014)

„Status of coastal waterbird populations in the East Atlantic Flyway. With special attention to flyway populations making use of the Wadden Sea“, van Roomen et al. (2015)

International Single Species Management Plan for the Greylag Goose (Northwest/Southwest European Population)

Verein Jordsand e.V.

Naturschutzbund Deutschland e.V

Schutzstation Wattenmeer e.V.

Austernfischer stochert im Watt nach Nahrung
Austernfischer bei der Nahrungssuche

© Martin Stock / LKN.SH

Austernfischer im Flug Thorsten Krüger
Austernfischer im Flug

© Thorsten Krüger

Etliche Austernfischer in einer Wiese.
In Schleswig-Holstein leben 48 Prozent des deutschen Brutbestands von Austernfischern.

© Christian Wiedemann

Austernfischer in einer Wiese.
Das schwarz-weiße Gefieder und der orange-rote Schnabel brachten dem Austernfischer den Spitznamen „Halligstorch“ ein.

© Schnabler / LKN.SH

Themenjahr 2022 "Vogelzug im Wattenmeer"