Schleswig-Holstein

Fragile Nachtschwärmer

Es ist 1:00 Uhr nachts. Mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer leuchtet ein Licht. Das Licht kommt von Trischen – der Vogelinsel vor Dithmarschen in der Zone 1 des Nationalparks –, und im Schein der Lampe schwirren Nachtfalter.

Mit einer Lichtfalle locke ich die Nachtfalter bei Dunkelheit an meine Hütte, um sie zu bestimmen und anschließend wieder freizulassen. Das nächtliche Licht eröffnet einen Einblick in eine faszinierende Welt voller Vielfalt an Farben, Formen und Lebensweisen. Über 2.000 Schmetterlingsarten sind in Schleswig-Holstein nachgewiesen. Den Löwenanteil stellen aber nicht tagsüber fliegende Arten, sondern Nachtfalter.

Nachtfalter hier kaum erfasst

Nachtfalter sind hier weit draußen im Wattenmeer, im Gegensatz zu Vögeln, bisher kaum systematisch erfasst worden. Inzwischen bin ich erstaunt über meine Beobachtungen. Man kann sich kaum vorstellen, dass es inmitten der Nordsee Orte gibt, die für das Leben eines fragilen Schmetterlings geeignet sind. Doch genau das ist der Fall.

Die Abgeschiedenheit Trischens bedingt, dass hier Lebensräume bestehen, die an der Küste für die Natur durch menschliche Nutzung vielfach verloren gegangen sind. Salzwiesen, Sandflächen und Dünen, die einer natürlichen Entwicklung unterworfen sind, haben früher weite Teile Schleswig-Holsteins geprägt. Sie beherbergten sehr spezialisierte Arten – die mit diesen Lebensräumen weitestgehend verschwunden sind.

50 verschiedene Arten gesichtet

Auf Trischen habe ich viele von ihnen noch gefunden. Die hier gezeigten Fotos bilden nur einen winzigen Ausschnitt aus der Vielfalt, denn zu dem Zeitpunkt, da ich dies schreibe, habe ich bereits über 50 verschiedene Arten nachweisen können.

Im Frühjahr sind Trischens Salzwiesen voll von den Raupen des Wolfsmilch-Ringelspinners. Sie fressen an Strandwegerich, Stranddreizack und Strandflieder. Durch eine wasserabweisende Behaarung sind sie sogar gegen zeitweilige Überflutung geschützt. Wenige Wochen später schlüpfen die Falter, die wie ein dicker Teddy aussehen.

Seltene Strand-Erdeule

Die Strand-Erdeule ist eine stark gefährdete Art, für die Schleswig-Holstein besondere Verantwortung trägt, da ihr kleines Vorkommen streng an die Küste gebunden ist; nirgendwo im Landesinneren ist dieser Nachtfalter zu finden. Da ihre Raupen sich an den Wurzeln von Dünenpflanzen entwickeln, ist sie durch die Übernutzung der namensgebenden Strände allerdings auch an der Küste selten geworden. Auf Trischen kommt sie sogar in verschiedenen Variationen vor: Einige Exemplare sind fast weiß, während andere ein fein gezeichnetes abstraktes Muster zur Schau stellen.

Nur noch wenige Restpopulationen

Der Küstendünen-Kleinspanner ist ein feenhaftes kleines Wesen, ein wunderhübscher Hauch von Nichts – und doch lebt er hier draußen. Für diesen schönen Schmetterling trägt Schleswig-Holstein sogar eine internationale Verantwortung, denn entlang der europäischen Nordseeküste existieren nur noch winzige Restpopulationen. Neben Sylt und Amrum gehört nun auch Trischen zu den wenigen verbliebenen Fundorten dieser Art. Auch die gut getarnte Schmalflügelige Strandroggeneule kommt hier noch häufig vor, ist bundesweit aber ebenfalls sehr selten geworden.

Neben den Arten, die hier ihren Lebenszyklus vollenden, werden immer wieder prächtige Gäste angeweht, die eigentlich am Festland leben. Ein besonderes Highlight war ein Brauner Bär – eine der schönsten Schmetterlingsarten Deutschlands.

Der Nationalpark Wattenmeer birgt Wunder. Unter dem Schlick und darauf, aber auch hoch darüber, am Tag und im Dunkel der Nacht. Es lohnt sich, die Augen offen zu halten!

Till Holsten

Raupe eines Wolfsmich-Ringelspinners
Im Frühjahr sind Trischens Salzwiesen voller Raupen des Wolfsmich-Ringelspinners.

© Till Holsten

Wolfsmilch-Ringelspinner auf einem Finger
Nach wenigen Wochen schlüpfen die Wolfsmilch-Ringelspinner.

© Till Holsten

Strand-Erdeule
Die Raupen der Strand-Erdeulen entwickeln sich an den Wurzeln von Dünenpflanzen.

© Till Holsten

Hinweis
  • Trischen liegt in der Schutzzone 1 des Nationalparks. Die Vogelinsel ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und wird nur im Sommer von einem Vogelwart oder einer Vogelwartin des NABU bewohnt.

Brauner Bär
Ab und an verweht es Festlandsfalter nach Trischen - zum Beispiel einen Braunen Bären.

© Till Holsten

Schmalflügelige Strandroggeneule
Die gut getarnte Schmalflügelige Strandroggeneule ist bundesweit sehr selten geworden.

© Till Holsten