Schleswig-Holstein

23.06.2023 |

Die Geschichte eines Säbelschnäblerpaars – live in jedem Wohnzimmer

Levia und Gravius, zwei Säbelschnäbler, haben Nachwuchs auf Oland. Und dank des Forschungsprojekts „Unser Wattenmeervogel“ können Interessierte das Vogelpaar auf Schritt und Tritt – oder Flügelschlag – verfolgen. GPS-Datenlogger auf ihren Rücken senden Daten, so dass ihre Bewegungen auf der Nationalpark-Website zu sehen sind. Ein Blog fasst alles Wissenswerte dazu zusammen.

Wir zählen immer weniger Säbelschnäbler – deshalb ist es umso wichtiger zu wissen, was sie brauchen, wo sie sich aufhalten und wie wir helfen können. ‚Unser Wattenmeervogel‘ trägt diese Daten zusammen, um die Art künftig besser schützen zu können.

Kai Eskildsen, Fachbereichsleiter Umweltbeobachtungen und Entwicklungsplanung © Detlef Arlt

Hin und her führen die Linien auf der Karte, die Oland und ein Stückchen Festland zeigt. Während Levia Anfang Mai noch ein paar Flüge zur Küste unternommen hat, hält sich Gravius nur noch auf Oland auf, seit er seinen Sender auf dem Rücken trägt. Kein Wunder: Die beiden hatten vier Eier auf Oland auszubrüten, aus denen am 14. Mai mindestens zwei Küken geschlüpft sind.

45 besenderte Säbelschnäbler im Projekt

Gravius und Levia sind zwei von 45 Säbelschnäblern, die das Forschungs- und Technologiezentrum (FTZ) der Uni Kiel in Büsum in Kooperation mit der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer seit 2022 besendert hat. „Besendert“ bedeutet, dass die Wissenschaftler*innen die Vögel in ihren Brutgebieten auf Hallig Oland, im Naturschutzkoog Beltringharder Koog und an der Elbmündung im Neufelderkoog gefangen und mit GPS-Datenloggern ausgestattet haben. Diese nur maximal neun Gramm leichten „Rucksäcke“ senden mithilfe des globalen Navigationssystems zur Positionsbestimmung (englisch Global Positioning System – GPS) und dem weltweiten Netz an Funkmasten der Mobilfunkanbieter ihre Daten an die Forscher*innen. So lassen sich auch Levia und Gravius nun live verfolgen – für alle Interessierten auf einer Karte auf der Internetseite des Nationalparks.

Das Team des Projekts „Unser Wattenmeervogel“ will mit den gesammelten Daten der Tiere herausfinden, warum die Zahl der Säbelschnäbler seit Beginn der standardisierten Brutbestandserfassung der Nationalparkverwaltung Anfang der 1990er Jahre zurückgeht. „Wir wollen wissen, wann die Vögel wohin ziehen, warum sie das tun und welche Zwischenstopps sie einlegen“, fasst Projektleiter Dr. Philipp Schwemmer vom FTZ zusammen. Mads Eskildsen, Doktorand im Projekt, kennt das optimale Brutgebiet der Säbelschnäbler: „Sie bevorzugen niedrige Vegetation, geringe Prädation, Nähe zum Nahrungsgebiet, geringe Überflutungswahrscheinlichkeit – am Ende ist es immer ein Kompromiss zwischen diesen Faktoren.“ Da die Vögel auf Nahrungssuche mit ihren nach oben gebogenen, langen Schnäbeln durchs flache Wasser seihen, brauchen sie Priele oder auch Restwasserbereiche bei Niedrigwasser auf Wattflächen – den Nationalpark eben.

Levia „dich Leichte“, Gravius „der Schwere“

Mads Eskildsen kennt Levia und Gravius inzwischen wohl am besten: Für seine Promotion wertet er ständig die Daten seiner Säbelschnäbler aus. Erste Erkenntnisse und auch nette Anekdoten hält er dabei in einem Blog neben der Internet-Live-Karte fest. Levia steht lateinisch für „die Leichte“: Das Weibchen war bei der Besenderung etwas leichter als das Männchen Gravius, „der Schwere“ – daher die Namensgebung. Beide sind mindestens zwei Jahre alt, da Säbelschnäbler dann zum ersten Mal brüten. Ihre vier Eier haben sie abwechselnd ausgebrütet, und mindestens aus zweien sind am 14. Mai Küken geschlüpft, wie eine Kamerafalle der Schutzstation Wattenmeer verraten hat. Wie bei Säbelschnäblern üblich haben Levia und Gravius ihren Nachwuchs dann zum Futtern in einen nahegelegenen Priel in der Oländer Salzwiese geführt, wo sie ihn wohl gemeinsam mit anderen Eltern ihrer Art vor Fressfeinden beschützen. „Dort halten sie sich bis jetzt noch die meiste Zeit auf, was dafür spricht, dass dort noch mindestens ein nicht-flügges Küken lebt, das sie beschützen“, berichtet Mads Eskildsen. Etwa 32 Tage müssen sie durchhalten, bis die Jungen fliegen können: „Es sieht also gut aus, dass sie mindestens ein Küken durchbringen können“, hofft der Doktorand.

„Wir laden alle Vogelliebhaber*innen ein, Levia und Gravius online zu verfolgen, zu erleben, wie sie sich für den Flug nach Süden wieder Energiereserven im Scklickwatt anfressen und einen Ort zum Überwintern suchen“, sagt Kai Eskildsen, Fachbereichsleiter Umweltbeobachtungen und Entwicklungsplanung, der das Projekt für die Nationalparkverwaltung begleitet. Im nächsten Frühjahr kehren beide Vögel dann hoffentlich unversehrt für die nächste Brut ins Wattenmeer zurück. Ein erlebnisreiches Jahr liegt vor ihnen und allen, die sie virtuell verfolgen mögen.