Schleswig-Holstein

Unser Wattenmeervogel

Säbelschnäblern mit Hightech auf der Spur

Für das Forschungsprojekt „Unser Wattenmeervogel“ haben Wissenschaftler*innen seit Sommer 2022 insgesamt 45 Säbelschnäbler mit GPS-Datenloggern ausgestattet. Diese Rucksäcke tragen die Vögel nun bei sich und senden hiermit permanent ihren Aufenthaltsort. Per Mobilfunknetz erreichen uns die Daten, so dass alle Fans unserer Wattenmeervögel immer wissen, wo ihre Lieblinge sind.

Im Fokus stehen Levia und Gravius, ein Säbelschnäblerpaar, das seine Sender während seiner Brut im Mai 2023 auf Hallig Oland erhielt.

Wo sind „unsere Wattenmeervögel“ Levia und Gravius gerade? Von den seit 2022 insgesamt 45 besenderten Säbelschnäblern lassen sich hier ein männlicher und ein weiblicher Vogel genau verfolgen. Egal ob auf dem Zug, im Überwinterungsgebiet oder während ihrer Brut: Auf der Karte sind die gesendeten Aufenthaltsorte zu sehen.

Zoomen Sie in die Karte, um den aktuellen Aufenthaltsort sowie die neuesten Bewegungen unserer Wattenmeervögel zu sehen. Das Paar, von dem die aktuellen Daten stammen, erhielt seine Sender im Mai 2023 auf Oland. © Martin Stock / LKN.SH

Mads‘ Blog

Doktorand Mads Eskildsen erklärt Wissenswertes zum aktuellen Aufenthaltsort.

Moin, ich heiße Mads Eskildsen und bin seit Mitte September als Doktorand am Forschungs- und Technologiezentrum (FTZ) der CAU zu Kiel angestellt.

Ich habe Biologie im Bachelor und Master an der Universität Hamburg studiert. In meiner Masterarbeit habe ich mich mit der Nistplatzwahl des Säbelschnäblers in Bezug auf Vegetation und Geländehöhe beschäftigt. Während meines Studiums konnte ich als wissenschaftliche Hilfskraft am FTZ bereits vielseitige Einblicke in den Forschungsalltag gewinnen. Nun möchte ich mich selbst mit der gewonnenen Expertise im Projekt Wattenmeervogel einbringen.

Viel Spaß mit meinem Blog! Meldet euch gern, wenn ihr Fragen, Anregungen oder Kritik habt. Ich freue mich auf Post von weiteren Säbelschnäbler-Fans!

Mads Eskildsen

© Detlef Arlt

Seit dem 29. November bekommen wir keine Standortdaten von Levia gesendet. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich bereits in ihrem vermutlichen Überwinterungsgebiet im Tejo-Ästuar. Was könnte der Grund sein, dass wir von Levia nichts mehr hören?

Levias Sender ist mit einem Beschleunigungs-Sensor versehen. Er gibt uns Auskunft über die Lage des Senders am Vogel. Anhand dieser Daten war zu erkennen, dass der Sender plötzlich in eine schräge Lage gelangt ist. Hierfür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Es könnte sein, dass Levia in ihrem Überwinterungsgebiet verstorben ist. Es könnte aber genauso bedeuten, dass sich das dünne Teflonband, mit dem der Sender auf Levias Rücken befestigt ist, abgelöst hat und der Sender abgefallen ist. Dies passiert nach einer gewissen Tragezeit des Senders häufig. Welcher der beiden Fälle tatsächlich eingetreten ist, können wir leider nicht eindeutig feststellen. Erst wenn die Farbringe, mit denen alle unsere GPS-Säbelschnäbler ebenfalls ausgestattet sind, irgendwo abgelesen würden, könnten wir uns sicher über Levias Status sein. Dies ist bei einigen anderen besenderten Säbelschnäblern in unserem Projekt schon der Fall gewesen.

Währenddessen hat Gravius am 22. März sein Überwinterungsgebiet in Westfrankreich verlassen und sich auf den Rückweg in Richtung Wattenmeer gemacht. Nach mehreren kurzen Zwischenstopps an der niederländischen Westküste und einem eineinhalbtägigen Stopp im Dollart ist er am späten Abend des 28. März in seinem letztjährigen Brutgebiet auf Oland angekommen. Nun wird er sich einen geeigneten Brutplatz sichern und um eine Partnerin für die diesjährige Brut werben.

Am 27. Februar hat ein Weibchen, das vergangenes Jahr im Beltringharder Koog besendert wurde, als erster unserer Säbelschnäbler die Rückreise ins Brutgebiet begonnen. Es verbrachte den Winter im Baie de Somme, einer Bucht, die Teil eines Naturparks im nördlichsten Department Frankreichs, Hauts-de-France, ist. Von dort aus startete es seinen neun Stunden langen Flug in Richtung Norden.

Nach zwei kurzen Zwischenstopps im Rückseitenwatt der Westfriesischen Inseln, erreichte es also am frühen Morgen des nächsten Tages den Dollart. Dort ist es auf den einzigen unserer Säbelschnäbler getroffen, der den gesamten Winter über im Wattenmeer geblieben ist. Hier werden sie jetzt noch eine Weile zusammen ihrem „Säbelschnäbler-Business“ nachgehen, bevor sie sich in ihre Brutgebiete aufmachen.

In der Zwischenzeit haben alle unsere besenderten Säbelschnäbler das seit einiger Zeit vom Winter besetzte Wattenmeer verlassen. Alle Säbelschnäbler? Nein! Ein unbeugsames Männchen leistet dem Eindringling noch Widerstand und verharrt im Frost auf Norderney. In den vergangenen Jahren sind die Säbelschnäbler spätestens mit einsetzenden Minusgraden weiter gen Süden gezogen. Aber diesem Männchen scheint der Frost nichts auszumachen. Sollte es den ganzen Winter dort bleiben, startet es auf jeden Fall in der Pole Position für die besten Brutplätze der neuen Brutsaison.

Die abgezogenen Säbelschnäbler haben sich inzwischen über ganz Westeuropa verteilt. Zwei haben die britische Ostküste aufgesucht. Zu den bisher sechs Säbelschnäblern an der französischen Atlantikküste hat sich ein weiterer dazugesellt, während sich ein anderer in Nordfrankreich befindet. Sechs weitere Individuen haben sich die iberische Halbinsel als Überwinterungsgebiet ausgesucht (2x Portugal, 1x Zentralspanien, 1x Ostspanien, 2x Südspanien). Ein thermophiles Weibchen ist am weitesten geflogen und hat sich für den Winter in Gambia niedergelassen.

Gravius scheint sein Überwinterungsgebiet für diesen Winter gewählt zu haben. Er befindet sich unverändert in den Brouage-Sümpfen (Frankreich).

In den vergangenen Tagen haben einige unserer besenderten Säbelschnäbler das Wattenmeer in Richtung Süden verlassen. Darunter nun auch Gravius, der sich bis zuletzt noch im Jadebusen aufgehalten hat. Am 16.11. ist er früh morgens von dort aufgebrochen. Nach 52 Stunden Flugzeit, inklusive eines kurzen, zweistündigen Zwischenstopps in der Agrarlandschaft des französischen Departements Pas-de-Calais, erreichte Gravius die französische Atlantikküste. Dort hält er sich aktuell in den Brouage-Sümpfen (Marais de Brouage) auf.

Sechs weitere besenderte Säbelschnäbler befinden sich momentan ebenfalls in Gebieten der französischen Atlantikküste zwischen Nantes und Bordeaux. Noch sind zehn unserer Individuen im niederländischen und niedersächsischen Wattenmeer anzutreffen. Aber je kälter die Nächte vor unserer Haustür werden, desto näher wird auch der Abflug dieser Säbelschnäbler rücken.

Unterdessen scheint Levia ihr diesjähriges Winterquartier gefunden zu haben. Sie befindet sich weiterhin unverändert im Tejo-Ästuar bei Lissabon.

Unser Säbelschnäbler-Paar verfolgt im Herbst scheinbar unterschiedliche Strategien.

Gravius hat die Ho-Bucht am 2.9. verlassen und dann noch einmal für zehn Tage das ihm bereits bekannte Gebiet am Röm-Damm aufgesucht. Seit dem 13.9. befindet er sich nun wieder im Watt nahe Oland, wo unser Paar gebrütet hat. Dort hält Gravius sich mit vier anderen auf Oland besenderten Männchen auf, um die Energiereserven für den anstehenden Zug ins Überwinterungsgebiet aufzufüllen.

Diesen hat Levia bereits hinter sich. Sie ist vom Jadebusen aus am 1.9. in Richtung Süden aufgebrochen. Mit mehreren kurzen Zwischenstopps (Dollart, Ijsselmeer, Ijmeer, Loire- Mündung, Rio Tera) hat sie schon am 5.9. ihr vermutliches Überwinterungsgebiet im Tejo-Ästuar (Portugal) erreicht. Dort befindet sie sich in Gesellschaft eines anderen Weibchens, das wir im vergangenen Jahr im Neufelderkoog (Dithmarschen) besendert haben.

Diese beiden Weibchen sind momentan die einzigen besenderten Säbelschnäbler, von denen wir Daten empfangen, die sich nicht mehr im deutschen, dänischen oder niederländischen Wattenmeer aufhalten. Weitere Schwerpunkte der Verteilung sind neben dem Watt um Oland aktuell der Dollart und der Jadebusen.

Nun haben sich die Wege unseres Paares (vorerst) getrennt. Gravius verließ den Röm-Damm am 21.7. und flog auf direktem Weg in die Ho-Bucht. Levia hingegen verweilte noch länger am Röm-Damm und verließ diesen erst am 1.8. Mit einigen kurzen Zwischenstopps (Margarethe Koog, Oland, Elb- & Wesermündung) erreichte sie am 13.8. ein weiteres intensiv von Watvögeln genutztes Rastgebiet, den Jadebusen.

Beide befinden sich damit in guter Gesellschaft anderer von uns besenderter Säbelschnäbler. Neben Gravius halten sich aktuell noch drei weitere in der Ho-Bucht auf. Außer Levia widmen sich momentan fünf weitere der Nahrungssuche im Jadebusen. Bei einem anderen Paar, das wir im Beltringharder Koog besendern konnten, ist die Aufteilung genau umgekehrt: Das Männchen hält sich im Jadebusen auf und das Weibchen in der Ho-Bucht. Einen anderen Schwerpunkt stellt das Watt um Oland herum dar, wo sich weitere fünf Säbelschnäbler aufhalten.

Im Moment befinden sich noch alle 23 Säbelschnäbler, von denen wir Daten empfangen, im deutschen oder dänischen Wattenmeer. Insgesamt stellt sich allerdings langsam eine leichte Südwest-Orientierung ein.

Nachdem sich unser Paar noch eine ganze Weile nach der Brutzeit in der Nähe von Oland aufgehalten hat, ist es nun gemeinsam auf die südliche Seite des Röm-Damms geflogen. Dieser Wattbereich ist seit vielen Jahren ein bekanntes Mausergebiet für die Säbelschnäbler, die entlang der Wattenmeerküste brüten.

Von den neun auf Oland besenderten Säbelschnäblern befinden sich aktuell nur noch zwei im angrenzenden Watt. Die beiden haben Gesellschaft von einem im Beltringharder Koog besenderten Weibchen erhalten. Zwei weitere Säbelschnäbler sind von dort aus mit einem kurzen Zwischenstopp nahe Oland ebenfalls hoch nach Dänemark geflogen. Hier befinden sich nun insgesamt acht unserer in diesem Jahr besenderten Säbelschnäbler (sechs am Röm-Damm und zwei in der Ho Bucht), um sich der Mauser zu widmen und ihre Energiereserven für die anstehende Migration ins Wintergebiet aufzufüllen.

Im Gegensatz zum vergangenen Jahr ist dies ein enorm hoher Anteil von Individuen, die es zuerst nach Norden zieht, bevor sie sich dann in Richtung Süden aufmachen werden.

Die bislang noch in den Brutkolonien organisierten Säbelschnäbler gehen nun allmählich getrennter Wege. Soweit wir es in unseren Daten sehen können, ergeben sich zwei Muster. Die Mehrheit der besenderten Säbelschnäbler hält sich noch immer im erweiterten Einzugsbereich der jeweiligen Kolonie auf und sorgt dort für ihre Küken. Einzelne Individuen, sowie auch das bereits erwähnte Paar, das im Neufelderkoog besendert werden konnte, haben allerdings bereits das Brutgebiet verlassen.

Es handelt sich hierbei nicht um Levia und Gravius. Sie sind weiterhin im Umfeld von Oland unterwegs.

Je nach Brutstatus kann das Verlassen des Brutgebiets unterschiedliche Gründe haben. Wenn die Eltern ihre Brutkolonie während der Bebrütungszeit verlassen, ist vermutlich ein Gelegeverlust die Ursache. So ist es wahrscheinlich dem Paar im Neufelderkoog ergangen. Die Säbelschnäbler starten zwar durchaus einen zweiten Brutversuch, wenn sie ihre erste Brut verloren haben. Dafür scheint die Brutsaison aber bereits zu weit fortgeschritten zu sein.

In den Kolonien im Beltringharder Koog und auf der Hallig Oland war das Brutgeschehen bereits einige Wochen früher gestartet, sodass das Verlassen der adulten Säbelschnäbler dort darauf zurückzuführen sein kann, dass ihre Küken bereits autark sind und sie nur noch für sich selbst sorgen müssen.

Jungvogel in der Wiese.
Ein wohl drei Wochen altes Küken auf Oland, aufgenommen am 15. Juni. Aufgrund des Alters kann es nicht der Nachwuchs von Gravius und Levia sein. © Kamerafalle Schutzstation Wattenmeer

Bei unserem ausgewählten Säbelschnäblerpaar von Oland sind aus vier Eiern am 14. Mai mindestens zwei Küken geschlüpft. Dies konnten wir anhand einer Kamerafalle nachvollziehen, die dort zur Prädationsüberwachung von der „Schutzstation Wattenmeer“ aufgestellt wurde.

Säbelschnäbler mit zwei Küken in einer Wiese.
© Fotofalle Schutzstation Wattenmeer

Da Säbelschnäblerküken Nestflüchter sind und von ihren Eltern nicht gefüttert werden, führen ihre Eltern sie in nahegelegene Aufzuchtgebiete. Dort tun sich meist mehrere Säbelschnäblerfamilien zusammen, um ihre Küken vor Fressfeinden zu schützen.

Anhand der GPS-Daten können wir nachvollziehen, dass unser Paar seine Küken in einen naheliegenden Priel in der Oländer Salzwiese geführt hat. Dort halten sie sich bis jetzt noch die meiste Zeit auf, was dafür spricht, dass dort noch mindestens ein nicht-flügges Küken lebt, das sie beschützen.

Die Küken brauchen circa 32 Tage bis sie flügge sind. Es sieht also gut aus, dass sie mindestens ein Küken durchbringen können. Da Säbelschnäbler verhältnismäßig langlebig sind, hält schon ein Bruterfolg von ein bis zwei Küken pro Jahr und Paar die Population stabil.

Insgesamt ist dieser Bruterfolg in den vergangenen Jahren zumeist leider nicht erreicht worden, sodass die Brutpopulation deutlich abgenommen hat. Ein Aspekt, dem wir mit diesem Projekt auf den Grund gehen wollen.

Auch während der aktuellen Brutsaison haben wir wieder fleißig Säbelschnäbler im Rahmen des Projektes besendert. Insgesamt konnten wir weitere 22 Vögel mit Sendern ausstatten, die uns nun seit einigen Wochen interessante Daten liefern. Die besenderten Säbelschnäbler stammen aus drei verschiedenen Kolonien: auf der Hallig Oland, im Naturschutzkoog Beltringharder Koog sowie an der Elbmündung im Neufelderkoog. Zweimal ist es uns gelungen beide Partner eines Brutpaares zu besendern. Während dies auf Oland an zwei verschiedenen Terminen gelang, staunten wir nicht schlecht, als im Neufelderkoog auf einmal beide Partner gleichzeitig in einer Falle saßen. Das Oländer Paar wird in Kürze auch auf dieser Website via Live-Tracking verfolgt werden können.

Ostern zieht es viele Menschen zum ersten Urlaub des Jahres in die Ferne. Die Kanarischen Inseln vor der afrikanischen Küste sind dabei ein beliebtes Ziel. Ähnlich sieht es wohl auch einer unserer besenderten weiblichen Säbelschnäbler, der im westafrikanischen Senegal den Winter verbracht hat. Ihn zog es auf dem Rückweg in das Brutgebiet im schleswig-holsteinischen Wattenmeer ebenfalls zu Ostern auf die Kanarischen Inseln. Dabei stattete er den Inseln Gran Canaria und Teneriffa einen kurzen Besuch ab; allerdings ohne zu verweilen. Die beiden Inseln rechts und links liegen lassend zog er weiter in den Donana Nationalpark an der spanischen Atlantikküste westlich von Gibraltar, wo er derzeit Kräfte für den weiteren Rückflug zu uns sammelt. Das ist ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig naturnahe, störungsarme Feuchtgebiete mit ausreichendem Nahrungsangebot auf dem Zugweg für den Säbelschnäbler sind.

Im vergangenen Blog Ende März hatte ich über die Rückkehr der Männchen in das Elbästuar berichtet. Dass das Weibchen noch nicht im Brutgebiet eingetroffen ist, unterstützt die auf Ringablesungen und Beobachtungen im Brutgebiet basierende Vermutung, dass weibliche Säbelschnäbler später als ihre männlichen Artgenossen im Brutgebiet ankommen.

Trotz der frostigen Nächte der vergangenen Tage, sind zwei unserer besenderten Säbelschnäbler seit einigen Tagen wieder in ihrem Brutgebiet angekommen. Beide Männchen haben wir 2022 im Neufelderkoog in einer Brutkolonie im äußeren Elbeästuar besendert. Dort sind sie nun wieder aufgetaucht. Ob sie sich auch dieses Jahr dort zur Brut ansiedeln oder eine der benachbarten Kolonien entlang der schleswig-holsteinischen Nordseeküste bevorzugen, wird sich dann im Laufe der nächsten Wochen zeigen.

Heute hat es den ersten unserer besenderten Säbelschnäbler zurück ins Wattenmeer gezogen. Aus seinem Überwinterungsgebiet an der französischen Atlantikküste ist das Männchen fast Non-Stop, mit nur einem einzigen 15-stündigen Zwischenstopp im Veersen Meer (Niederlande), nach 26 Stunden (Stopp inklusive) im Ems-Dollart angekommen. Nun wird es einen geeigneten Brutplatz suchen. Sobald auch die Weibchen, die tendenziell etwas später im Brutgebiet eintreffen, anwesend sind, geht das Männchen auf Brautschau, um sich möglichst erfolgreich fortzupflanzen.

Langsam kündigt sich in den Überwinterungsgebieten der Beginn der Frühjahrsmigration zurück ins Brutgebiet an. Die ersten von uns getrackten Säbelschnäbler orientieren sich bereits vorsichtig in Richtung Norden und verlassen dabei ihr bisheriges Überwinterungsgebiet, um sich in einem etwas nördlicher gelegenen Gebiet weiter auf ihren Abzug vorzubereiten. Andere haben zwar schon einen ersten Testflug gestartet sind aber bis auf Weiteres wieder in ihr Überwinterungsgebiet zurückgekehrt.

Es macht sich insgesamt eine gewisse Zugunruhe unter unseren Säbelschnäblern breit.

Wirft man einen genaueren Blick auf die Überwinterungsgebiete unserer besenderten Säbelschnäbler, fällt eine Gemeinsamkeit dieser Gebiete auf. Unabhängig davon auf welchem Breitengrad sie überwintern, halten sich fast alle Individuen küstennah in einem Ästuar oder einer Meeresbucht auf. Ein Ästuar ist eine sich trichterartig auffächernde Flussmündung an einer durch Ebbe und Flut geprägten Küste.

Sobald die Brut abgeschlossen ist, müssen die adulten Säbelschnäbler ausschließlich sich selbst versorgen, weshalb die Auswahl eines geeigneten Habitats in dieser Jahreszeit von anderen Faktoren abhängig ist als in der Brutzeit. Überflutungsgefahr oder Schutz vor Nesträubern als wichtige Faktoren bei der Nistplatzwahl spielen hier keine Rolle. Wichtig erscheint hingegen die Nahrungsverfügbarkeit.

Auch bei uns an der Nordseeküste sind die Säbelschnäbler in der Nachbrutzeit, wenn die Energiereserven für den langen Zug aufgefüllt werden müssen, immer wieder in Ästuaren – wie Elbe, Weser-Jadebusen oder Ems-Dollart – zu beobachten, was für eine gute Nahrungsverfügbarkeit in diesem Bereich spricht. Dieses Wissen machen die Säbelschnäbler sich scheinbar auch in ihren Überwinterungsgebieten zu Nutze.

Seit einiger Zeit befinden sich nun alle Säbelschnäbler in ihrem Überwinterungsgebiet. Dieses erstreckt sich entlang der Ostatlantikküste von England im Norden über Frankreich und Portugal bis Senegal und Gambia im Süden.

Die meisten unserer besenderten Säbelschnäbler halten sich momentan an der französischen Atlantikküste auf. Dass nicht immer der direkte Weg aus den Brut- in die Überwinterungsgebiete genommen wird, zeigt das Weibchen, dass sich momentan in Portugal befindet. Zuerst hielt es sich einige Zeit ebenfalls an der französischen Atlantikküste auf, um erst später weiter in Richtung Portugal zu ziehen, unterbrochen von mehreren Raststationen in Zentralspanien.

Wo im Wattenmeer nun wirklich der Winter einzieht mit Schneefall und Temperaturen bis – 10°C, hält es auch unser Männchen hier nicht mehr aus. Es hat sich am 13. Dezember auf den Weg in Richtung Frankreich gemacht, wo es bessere Bedingungen zum Überwintern vorfindet.

Unser Weibchen hat sich nach längerem Aufenthalt an der französischen Atlantikküste gestern auch nochmal auf den Weg weiter südwärts nach Nordspanien gemacht und dabei die Biskaya überquert.

Während unser Männchen immer noch keine Anstalten macht, sich auf den Weg in sein Überwinterungsgebiet zu machen, ist unser Weibchen entlang der französischen Atlantikküste auf der Suche nach dem perfekten Überwinterungsgebiet. Das Naturschutzgebiet Baie de l’Aiguillon, wo es zuerst ankam, schien dies nicht zu sein. Dort rastete es nur circa vier Stunden, bevor es eine Bucht weiter südlich (Anse de Fouras) flog – um sich umgehend wieder nach Norden zu orientieren und in einem Salinengebiet nahe Nantes (Les Salines de Millac) niederzulassen.

Unser Weibchen hat nun das Männchen vorerst verlassen. Beide hatten sich bis zum jetzigen Zeitpunkt zusammen im Jadebusen aufgehalten. Nun hat das Weibchen am 12.11. um 19:00 Uhr seinen Zug ins Überwinterungsgebiet gestartet. Nach zwei Flugstunden hat es noch einen etwa 18-stündigen Zwischenstopp im Dollart eingelegt, ehe es per Direktflug entlang der Atlantikküste weiterzog und am 14.11. gegen 22:00 Uhr sein vermeintliches Zielgebiet in Frankreich das Naturschutzgebiet Baie de l‘Aiguillon nördlich von La Rochelle erreichte. Dort trifft es auf zwei andere unserer besenderten Säbelschnäbler. Ein Weibchen, das am 31.5.2022 im Neufelderkoog besendert wurde, sowie ein Männchen, das am 9.6.2021 in Süddithmarschen besendert wurde.

Auftanken im Schlickwatt

Unser Säbelschnäbler-Paar (wiss. Name Recurvirostra avosetta) hält sich momentan im sogenannten Ästuarbereich der Weser auf, also im Bereich der Flussmündung ins Meer. Das Weibchen war bereits ins niederländische Wattenmeer gezogen, hat sich allerdings vor dem endgültigen Abzug ins Winterquartier noch einmal zurück in den Jadebusen orientiert. Das Männchen hingegen ist nach der Brutphase direkt an die Wesermündung gezogen.

Im dortigen Schlickwatt finden unsere beiden Wattenmeervögel optimale Bedingungen für die Nahrungssuche vor, um Energiereserven für den bevorstehenden Zug anzulegen.

Karte der Küste von Wilhelmshaven bis Bremerhaven. Blaue bzw. rote Punkte zeigen den Aufenthaltsort der zwei Vögel.

© OpenStreetMap contributors, and the GIS User Community, Sources: Esri, HERE, Garmin, FAO, NOAA, USGS

Das Projekt „Unser Wattenmeervogel - GPS-Tracking von Säbelschnäblern (Recurvirostra avosetta) in Schleswig-Holstein“ wird gefördert durch die proWIN pro nature Stiftung.

© proWIN

Die drei beteiligten Wissenschaftler

Mads Eskildsen

© Detlef Arlt

Säbelschnäbler in den Händen eines Menschens.
Allein im Mai 2023 gelang es dem Team des Projekts "Unser Wattenmeervogel" 22 weitere Säbelschnäbler mit Sendern auszustatten.

© Mads Eskildsen

zwei Säbelschnäbler auf einer Wiese.
Die Fotofalle beweist: Die beiden Vögel, deren Daten wir aktuell auf der Karte darstellen, sind tatsächlich als Paar unterwegs.

© Fotofalle Schutzstation Wattenmeer

Wer besendert wird, erhält auch Farbringe, und es werden alle Daten des Individuums erfasst.

© Mads Eskildsen

Mensch befestigt einen Sender auf dem Rücken eines Säbelschnäblers, den ein anderer Mensch auf dem Schoß festhält.
Mads Eskilsen bei der Arbeit: Er befestigt den GPS-Datenlogger als Rucksack auf dem Rücken eines Säbelschnäblers.

© Philipp Schwemmer

Mensch setzt Säbelschnäbler auf einer Wiese aus.
Nachdem alle Daten erfasst sind, entlassen die Forschenden das Tier wieder in die Freiheit.

© Mads Eskildsen

Säbelschnäbler im Abflug über eine Wiese.
Die GPS-Datenlogger senden permanent ihren Aufenthaltsort. Zwei der Vögel lassen sich auf diese Weise oben auf der Karte verfolgen.

© Mads Eskildsen