Schleswig-Holstein

Brutvogelbestände gehen zurück

In der Feststellung der Fakten sind sich wohl alle einig – von den Vogelzähler:innen in den betreuenden Verbänden bis zu den Expert:innen vor Ort und beim gemeinsamen Wattenmeersekretariat CWSS: Die Bestände vieler, vor allem der klassischen Brutvögel des Wattenmeeres gehen seit Jahrzehnten zurück. Und in der Fachwelt gibt es kaum Zweifel an der These, dass das Phänomen mit den Klimaveränderungen zu tun hat.

„Dafür gibt es zahlreiche Hinweise aus einzelnen Studien, was uns jedoch noch fehlt, ist ein umfassendes Bild“, so der Leiter des Fachbereichs Umweltbeobachtungen und Planungsgrundlagen in der Nationalparkverwaltung Kai Eskildsen.

56 Prozent „stark rückläufige Trends“ 

Betroffen ist eine Vielzahl von See- und Küstenvogelarten, von Seeschwalben bis zu dem wohl bekanntesten Wattvogel, dem Austernfischer. Laut dem 2020 erschienenen Bericht der trilateralen Brutvogel-Expert:innen-Gruppe wurden seit 1991 für 18 von 32, das heißt für 56 Prozent der Brutvogelarten „stark rückläufige Trends“ beobachtet.

Aber welches sind nun die genauen Gründe für diese Entwicklung, die sich im gesamten (niederländisch-deutsch-dänischen) Wattenmeer vollzieht? Sind sie vor Ort zu suchen, etwa im Vorhandensein (oder Nicht-Vorhandensein) von Nahrung? Gibt es Veränderungen entlang der Zugwege? Weitere Faktoren könnten klimabedingt immer häufigere frühsommerliche Fluten sein, die Gelege oder Küken wegspülen. Und welche Rolle spielen Prädatoren wie Fuchs, Marderhund und Ratte?

Blick auf die Gesamtzusammenhänge

„Diverse Forschungsvorhaben gehen diesen Fragen nach“, so Eskildsen. Denn Thesen zu Ursache und Wirkung – und seien sie noch so nahe liegend – sind nun einmal das eine, wissenschaftlich fundierte Daten mit Blick auf die Gesamtzusammenhänge das andere.

Erkenntnisse aus einzelnen Studien gibt es auch bereits, etwa zum „mismatch“ bei der Nahrungsaufnahme von Fluss- und Küstenseeschwalben in der Brutzeit. Der Biologe Veit Hennig von der Uni Hamburg hat Details dazu in einem Drei-Fragen-Interview in der Mai-Ausgabe der Nationalpark Nachrichten erläutert (Link siehe unten).

„Dauertelemetrie Austernfischerküken“

Nun hat auch die Nationalverwaltung ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Dauertelemetrie Austernfischerküken“ auf den Weg gebracht, umgesetzt vom Michael-Otto-Institut im NABU in Bergenhusen unter der fachlichen Leitung von Volker Salewski und finanziert im Rahmen der Biodiversitätsstrategie des Landes Schleswig-Holstein. Worum genau es dabei geht, berichtet der Leiter des Fachbereichs „Brutvögel der Küsten“ im MOIN Dominic Cimiotti nun in einem aktuellen Drei-Fragen-Interview mit den Nationalpark Nachrichten (siehe unten). Hier informiert er auch über erste Erkenntnisse aus weiteren Studien.

Küstenseeschwalbe füttert Küken
Küstenseeschwalben sind laut Roter Liste der Brutvögel Schleswig-Holstein stark gefährdet.

© Martin Stock / LKN.SH

Sommersturmflut
  • Norderoog ...

    Ein Beispiel für die Folge von Sturmereignissen in der Brutzeit war die laut Verein Jord­sand für die Vogelwelt „katastrophale Sommersturmflut“ Ende Mai. Wie zuletzt habe das Hochwasser „einen großen Teil der Bruten vieler Küstenvogelarten auf den ungeschützten Inseln und Halligen vernichtet“, so eine Pressemitteilung des Vereins, der mehrere Gebiete im Nationalpark Wattenmeer betreut, darunter die „Vogelhallig“ Norderoog. Die Häufung sogenannter Kükenfluten bedrohe die heimischen Seevogelbestände in ihrem Bestand, denn „mit dem Ausfall der Bruten in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren könnten auch die langlebigen Küstenvogelarten beträchtliche Populationseinbußen erleiden“.
    Zur Jordsand-Pressemitteilung

  • Süderoog ...

    „Auch auf Süderoog, in Teilen von Nordstrandischmoor und in den Vorlandgebieten am Festland wie etwa Westerhever und auf den Inseln hat es erhebliche Verluste von Gelegen und ersten Jungvögeln, insbesondere bei Lachmöwen, Fluss- und Küstenseeschwalben, Säbelschnäblern und Austernfischern gegeben“, ergänzt der Brutvogelexperte der Nationalparkverwaltung Bernd Hälterlein die Beobachtungen. Andere Arten hätten das Hochwasser aber weitgehend unbeschadet überstanden.

  • Dithmarschen ...

    Ein je nach Art gemischtes Bild auch aus Dithmarschen: So sind, um zwei Beispiele zu nennen, in der Brutkolonie der Lachmöwen in Friedrichskoog Hafen zwei Drittel der Gelege verloren gegangen, am Trischendamm alle. Auf Trischen gab es nach Informationen des NABU-Naturschutzwartes Till Holsten Verluste bei Austernfischer (ein Drittel der Gelege) und Flussseschwalbe (zwei Drittel), während andere Arten wie Rotschenkel und Lachmöwen weitgehend verschont blieben.